Rezension

Gute Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart

Glycinienmord - Nicole Joens

Glycinienmord
von Nicole Joens

Wir schreiben das Jahr 1969. Am Fluss finden die Kinder Jens und Gisi einen Toten. Gisela kennt den Mann, doch keiner fragt sie. Seit diesem Tag ist auch Giselas Mutter und Jens` Hund verschwunden.

Zwanzig Jahre sind vergangen. Dr. Jens Hauser arbeitet als Professor für Kriminalistik in Amerika. Von seiner Jugendfreundin Gisela hat er sich getrennt. Trotzdem wendet sie sich an ihn um Hilfe. Sie beschuldigt ihren Vater, den Schrotthändler Rolf Martin, mehrerer Wirtschaftsverbrechen. Die Ermittlungen aber verlaufen im Sande.

Nun sorgen dienstliche Aufgaben dafür, dass Jens in das Land seiner Kindheit und in seine Vergangenheit zurückkehrt. Gisela hat nur noch kurze Zeit zu leben.

Die Autorin hat einen vielschichtigen Roman geschrieben. Er folgt dadurch allerdings nicht den Regeln eines typischen Kriminalromans.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Dr. Jens Hauser ist ein exzellenter Fachmann. Sein Umgang mit Frauen ist gewöhnungsbedürftig.  

Olivia, Jens` amerikanische Assistentin, folgt ihm nach Deutschland. Sie liebt ihn und wartet auf ihre Zeit.

In Deutschland wird sich die Polizeipsychologin Lilian um Jens kümmern. Ihr Verhalten wird auch durch die tickende biologische Uhr bestimmt.

Besondere Sympathiepunkte erhält von mir Jens` Mutter Anna. Die alte Dame steht mitten im Leben, ist für viele Dinge offen und weiß, was sie will.

Das Buch streift eine Reihe von brisanten Themen. Die Eltern von Jens und Gisela kamen als Flüchtlinge aus Schlesien nach Bayern. Die Folgen von Flucht und Vertreibung wirken heute noch nach. Die strikte Trennung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen ist in vielen Köpfen nicht überwunden und prägt selbst die folgende Generation.

Die Autorin schlägt oft gesellschaftskritische Töne an, sei es beim Umgang mit Sterbenden im Hospiz oder bei den politischen Seilschaften.

Jens` eigentliche Tätigkeit in Deutschland spielt im Roman nur eine untergeordnete Rolle. Einen weiten Raum nehmen seine Frauengeschichten ein. Hier wäre weniger mehr gewesen. Für die eigentliche Handlung zieht eine Tote im Hintergrund die Fäden. Gisela ist verstorben. Ihr Tod gibt Rätsel auf, aber auch die Liste, die sie ihrer Tochter zur Abarbeitung hinterlassen hat.  

Zu den stärksten Stellen des Romans gehören die Rückblenden in die Vergangenheit. Es zeigt sich, dass sich seit Jahren ein geschickt aufgebautes Netzwerk im Vertuschen, Verfälschen, Verschleiern und Verschweigen übt. Plötzlich nehmen die Verbindungen zwischen Jens` familiären Beziehungen und seiner dienstlichen Aufgabe zu.

Das Buch lässt sich zügig lesen. Es erschließt sich allerdings nur, wenn man sich auf die vielfältigen Verwicklungen, die die Autorin konstruiert, einlässt. Dabei bleiben nicht nur zwischendrin Fragen offen. Nicht alle werden zu Ende geführt. Handlungsorte werden ausführlich beschrieben. Die Autorin beherrscht das Spiel mit Metaphern.

Sehr schön gestaltet ist das Cover. Es vermittelt eine Idylle, die trügt.

Das Buch hat mir gut gefallen. Dazu beigetragen hat die gekonnte Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart.