Rezension

Heimatroman mit Anspruch

Kaiserstuhl -

Kaiserstuhl
von Brigitte Glaser

Bewertet mit 5 Sternen

Kaiserstuhl, Freiburg, Elsass, Champagne und der Rest der Welt

Champagner - anscheinend ist alle Welt ganz verrückt nach Champagner und vor allem nach den Flaschen der Vossingers aus Epernay, und zwar im Speziellen nach dem Jahrgang 1937er. Doch eine ganz besondere Flasche wurde versteckt. Und diese soll jetzt zum Besuch von Charles de Gaulle in Deutschland geöffnet werden. Um diese Flasche dreht sich die Geschichte, die in der Nazi- und Nachkriegszeit spielt.

Zwei dramatische Liebesgeschichten stecken in dem Roman, in dem historische Begebenheiten mit fiktiven Charakteren und Abläufen zusammengebracht werden (was ein geschickter Kniff ist, um das Buch spannend und realistisch zu machen). Da ich bereits andere Bücher von Autorin Glaser gelesen habe - das ist eine besondere Spezialität von ihr.

Henny Scherer, erfolgreiche Geschäftsfrau und Freizeitsängerin, hat mit der Vergangenheit (Krieg, Terror, Jugendsünden, Verrat und Liebe) zu kämpfen. Eine sympathische Person, der ich ihre inneren Zwiespälte durchaus abnehme. Paul Duringer ist eher so ein typischer Nachkriegshallodri, der noch in seiner Illusion von ewiger Militärkumpanei verhangen ist und sich nicht eingestehen kann, was er wirklich will. Der junge Kaspar ist derjenige, der mit seinem 'coming of age' die meiste Sympathie einheimst, denn wer will nicht genau wissen, wer er oder sie ist und wer die Eltern sind und der mit seiner jugendlichen Unsicherheit anrührt. Die alte Kätter ist der Typus von Frau, die in einem Widerwillen auslöst (aber jaja, so sind sie die 'Wälder' - also diejenigen aus dem Hochschwarzwald - möchte ich sagen, aber sie ist ja eine Kaiserstühlerin, aber da gibt es auch Verschrobene, die nicht unbedingt tolerant sind). Dabei hat sie doch ein gutes Herz, die Kätter.
Die Charaktere sind gut getroffen, denn wenn sie Widerwillen oder Sympathien auslösen und keine feingeschliffenen Rheinkieselsteine sind, dann hat doch die Autorin genau das erzielt, was sie erzielen wollte: Die Figuren lebendig machen!

Besonders gelungen ist auch die Darstellung des Besuches von Charles de Gaulle in Deutschland, der ein ziemlicher Deutschenhasser war, und die Einläutung der Deutsch-Französischen Freundschaft (was jede:r, der/die in Grenznähe lebt, mehr als schätzt). Sehr schön die atmosphärische Darstellung de Gaulle und die süddeutsche Jugend bei seiner Rede in Ludwigsburg.

Der Kaiserstuhl und die Schwarzwaldmetropole Freiburg werden sehr gut dargestellt, realistisch und mit einigen fiktiven Änderungen, passend zur Romangeschichte.

Einer der Romane, die man nicht mehr aus der Hand legen mag und eigentlich auch auf eine Fortsetzung wartet...

Wiedererkennungswert - hoch
Spannung - ebenfalls hoch
Neue Ideen - maximal

Das Umschlagsbild ordnet sich gut ein zu den beiden anderen Büchern von Brigitte Glaser (die alle in der Nachkriegszeit spielen, unter Einbeziehung der Geschichte und Politik); natürlich passt das Bild zum Titel 'Kaiserstuhl', weil es den gut bekannten Teil der terrassierten Kaiserstuhl Rebanlagen zeigt, dazu eine Knutschkugel (Isetta). Ach, herzallerliebste Isetta... so ein süßes Autolein! Und irgendwie gehört diese Knutschkugel auf die Kaiserstühler Rebwege.