Rezension

Kraftvoll, atmosphärisch, unwiderstehlich

Die Leuchtturmwärter -

Die Leuchtturmwärter
von Emma Stonex

Bewertet mit 5 Sternen

Ich kann das Meer sehen, fühlen, schmecken, riechen, höre das Tosen ... selten bin ich einem in Text gefassten Geschehen so nah gewesen.

Das nie aufgeklärte Verschwinden dreier Leuchtturmwärter im Jahr 1900 auf einer Hybrideninsel inspirierte Autorin Emma Stonex zu ihrem fiktionalen Roman. 

Am 31. Dezember 1972 bringt ein Boot einen jungen Mann zur Maiden, einem Turm vor der Küste Cornwalls. Er soll einen der Wärter ablösen. Doch man findet die Maiden verlassen vor, niemand ist mehr dort.

Diese gespenstische Ausgangslage geht Hand in Hand mit der Ausdruckskraft der Autorin, mit welcher sie das Meer zum Hauptprotagonisten der Geschichte erhebt. So gewaltig sind diese Schilderungen, dass das Schwanken und Tosen erlebbar wird, man sich inmitten einer Gewalt fühlt, wie man sie bislang nicht kennen gelernt hat.

Zwanzig Jahre später recherchiert ein Autor zu dem Vorfall und versucht, die Meinungen und Erinnerungen der hinterbliebenen Frauen zutage zu fördern. Sie haben ihre jeweils eigene charakteristische Weise, mit dem Verlust umzugehen. Ganz nah wird man an sie heran geführt, zunächst unabhängig voneinander geben sie vieles, bei weitem nicht alles, von sich preis. Auch hier überzeugt der Schreibstil, kommt ohne Dialoge aus, schält jede Person aus radikal individueller Sicht detailliert und mit viel Tiefgang aus ihrem Hintergrund.

In der anderen Zeitebene, dem Monat vor dem Ereignis, begleiten wir das Leben im Turm. Wir lernen Arthur, Bill und Vince kennen, drei äußerst unterschiedliche Männer. Ihre Strukturen, ihre Gedanken, Wünsche und Ängste. Den Alltag. Die Routine. Ihr Miteinander. Die extreme Abgeschiedenheit, die beim Lesen heftige Beklemmung verursacht.

Alle drei haben Geheimnisse, die sie umtreiben. Immer wieder entstehen neue Vermutungen, inwieweit diese für die Geschehnisse verantwortlich sein könnten.

Vielleicht ist es der klaustrophobischen Stimmung zuzuschreiben, dass zunehmend übernatürliche Dinge eine Rolle spielen. Manches, nicht alles, findet seine Erklärung. Zu spüren ist, es läuft auf eine Katastrophe hinaus. Und so steigert sich die Spannung ins Unerträgliche.

Ganz sicher ist dieser Roman nicht wenig anstrengend und wird nicht nur Begeisterung auslösen. Aber es ist schwer, sich der Macht zu entziehen, mit der dem ehemaligen Berufsstand der Leuchtturmwärter eine eindringliche, unglaublich intensive Hommage auf höchstem sprachlichen Niveau geboten wird.