Rezension

mystisch - spannend - gut

Die Leuchtturmwärter -

Die Leuchtturmwärter
von Emma Stonex

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Eigentlich geschieht nicht viel im Roman „Die Leuchtturmwärter“ von Emma Stonex (38), der im August beim S. Fischer-Verlag erschien. Dennoch gelingt es der britischen Autorin schnell, uns Leser mit ihrem Debütroman von den ersten Seiten an in den Bann zu ziehen. Es ist eine packende Geschichte, mystisch anmutend und aufwühlend wie das wild tobende Meer rund um den Leuchtturm. Inspiriert vom niemals aufgeklärten Verschwinden dreier Leuchtturmwärter am 15. Dezember 1900 von der Insel Eilean Mòr an der Westküste Schottlands, erzählt Stonex eine eigene Geschichte von Oberwärter Arthur Black, Wärter William „Bill“ Walker und Hilfswärter Vincent „Vince“ Bourne, die alle drei in der Nacht vor Silvester 1972 spurlos vom Leuchtturm Maidens Rock verschwanden, auf einer winzigen Felsklippe etwa 15 Seemeilen vor der Küste Cornwalls aus dem Meer ragend.

Noch zwei Jahrzehnte später kursieren Gerüchte und Deutungsversuche im Küstenstädtchen Mortehaven, wo Arthur mit Ehefrau Helen, Bill mit seiner Jenny und Vince mit Freundin Michelle wohnten. Die drei Frauen und andere Beteiligte wie die Leuchtturmbehörde und der Leuchtturmbetreiber Trident House werden 1992 mehrmals von einem Schriftsteller über das Verschwinden der drei Männer befragt, um darüber einen Roman zu schreiben.

In ihren Interviews mit dem Schriftsteller offenbaren die Frauen, die seit 20 Jahren mit dem ungeklärten Verschwinden ihrer Männer leben und seelisch kämpfen müssen, ihre Gefühle, ihre Ängste und Geheimnisse. Es geht um den unerwarteten Verlust des Partners, um die Fähigkeit, auch 20 Jahre später noch trauern zu können. Es geht um anhaltende Hoffnung auf Rückkehr und verschiedene Arten von Liebe. Der Autorin gelingt es beeindruckend, sich in die Gefühlswelt dieser drei charakterlich und vom Alter her so unterschiedlichen Frauen hineinzuversetzen und ihr heutiges, von Fall zu Fall auch damaliges Handeln zu begründen.

Parallel dazu erfahren wir die 20 Jahre zurückliegende Vorgeschichte auf dem Leuchtturm, „diesem Ort auf halbem Weg zwischen Himmel und Hölle …. der keine Familien kennt“, die letztlich zum Verschwinden der drei Wärter geführt haben mag. „Drei Männer und eine Menge Wasser. Nicht jeder hält es gut aus, eingesperrt zu sein. Einsamkeit, Isolation, Eintönigkeit. Kilometerweit nichts als Meer und Meer und Meer.“ Am Silvestertag findet der alarmierte Suchtrupp nur den leeren Leuchtturm, keine Toten. Beide Wanduhren sind um Viertel vor Neun stehengeblieben, am Esstisch ist für zwei Personen eingedeckt, nicht für drei. Die Türen sind von innen verschlossen. „Nichts deutet auf einen überstürzten Aufbruch hin, eine Flucht, nichts lässt vermuten, dass die Wärter diesen Ort verlassen haben.“ Eine Vermutung lässt die Behörden allerdings die Akten bald schließen: „[Vincent] war der Kriminelle, also muss er es getan haben. Was genau er getan haben soll, können sie nicht sagen, aber wen kümmern schon Einzelheiten, wenn man einen Schuldigen hat“ und die anderen beiden offensichtlich „ohne Fehl und Tadel“ waren.

Emma Stonex geht es in ihrem Roman nicht um Aufklärung eines Geheimnisses, auch wenn sie ihren Lesern am Ende eine Möglichkeit anbietet, wobei gerade dies eher ein Makel ihres empfehlenswerten Romans ist. Was ihren Roman so eindrucksvoll macht, ist dessen mystische Atmosphäre, die Schilderung des bedrückenden Arbeitsalltags der einsamen Männer im Leuchtturm, die Beschreibung der rücksichtslosen Naturgewalt des umgebenden Meeres sowie der Gefühlswelt der drei Frauen, die nicht allein durch ihr gemeinsames Schicksal auch nach 20 Jahren noch miteinander verbunden sind.