Rezension

Das mysteriöse Verschwinden der Leuchtturmwärter

Die Leuchtturmwärter -

Die Leuchtturmwärter
von Emma Stonex

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Die Leuchtturmwärter" der englischen Autorin Emma Stonex ist eine fiktive Story, die im Jahre 1972 und 1992 auf "Maiden Rock", einem Leuchtturm vor der Küste in Cornwall,verortet ist. Angelehnt ist der Roman an die wahre und bis heute nicht aufgeklärte Geschichte drei verschwundener Leuchtturmwärter, die auf der schottischen Insel Eilean Mòr im Jahre 1900 spurlos verschwanden. Erschienen ist der Roman (HC, gebunden, 430 Seiten) im S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2021.

 

Das im Roman dargelegte Szenario ist identisch mit der Geschichte aus dem Jahre 1900: 1972 kommt ein Boot zur Ablösung zum Leuchtturm, findet jedoch die Tür von innen verriegelt vor. Von den Leuchtturmwärtern Arthur, Bill und Vince fehlt jede Spur. In der Küche des Turms finden sich zwei Gedecke und äußerlich scheint alles in Ordnung. Zwei Uhren sind um dieselbe Zeit stehengeblieben: Was ist Arthur, dem Oberwärter, Bill und Vince zugestoßen?

 

Dieser Frage geht dieser stilistisch interessante Roman nach: Man lernt die drei Hauptprotagonisten Arthur, Bill und Vince in der Zeit der 70er kennen und - nach dem Verlust der Ehemänner, ihre Frauen Helen, Jenny und Michelle, die aus ihrer Sicht die Ereignisse von damals dem Journalisten Dan Sharp nach 20 Jahren Schweigens erzählen. Die Charaktere werden mit jeder Seite des Romans mehr offengelegt; wie Wellen, die an den Strand spülen, werden die Gedanken und auch einige Geheimnisse dem Leser nach und nach preisgegeben. Der sehr atmosphärische Roman, dessen weiterer Protagonist das Meer selbst ist, lebt von der Atmosphäre des Leuchtturms "Maiden Rock" und von vielen "Andeutungen", die Stonex in die Geschichten um Arthur und Helen, Bill und Jenny sowie Vince und Michelle eingeflochten hat. Mir kam es zuweilen vor, als ob ich eine Leine oder ein Schiffstau zugeworfen bekam, das ich jedoch nur millimeterweise zu fassen bekam: Bis zur Hälfte des Romans faszinierte mich dies; jedoch ab der anderen Hälfte war es mir dann etwas zuviel: Nicht immer war klar (eher selten), was Fiktion, Illusion, Wahnvorstellungen oder gar Realität ist. Die Konturen verschwammen trotz konzentrierten Lesens und einige Fragen wurden für meine Begriffe zwar aufgeworfen, aber nicht geklärt.

 

Die Themen sind sehr vielfältig: Es geht um Hoffnung, Verlust, Isolation, Geheimnisse, Sturm, Meer, Trauer, Liebe Einsamkeit und Rätsel. Es handelt sich m.E. um Beziehungsdramen, die sich durch viel Ungesagtes, Unausgesprochenes noch verschlimmern, was ich sehr bedauert habe. So waren mir Arthur und Helen als Figuren sehr sympathisch; auch Vince hatte meine Zuneigung und Michelle trat dann ebenso authentisch sehr viel später auf: 20 Jahre hatten die Frauen, die das gemeinsame Schicksal der Hinterbliebenen hätte einen können, nichts miteinander am Hut. Bis der Autor Dan Sharp auftrat, der der Wahrheit nochmals auf den Grund gehen wollte und die Frauen um Interviews bat. Seine Rolle war für mich eine sehr nachvollziehbare und positive, die mich erstaunt und auch ein wenig begeistert hat. In den Roman von Emma Stonex flossen aufgrund der sturmumtosten See, die oft sehr aufgewühlt war und dem Leser klar machte, dass die Arbeit auf einem Leuchtturm sehr hart und eher das Gegenteil von romantisch zu nennen war, auch mystische Elemente ein und das Ende hatte auch ein wenig 'mystery crime'. Durch die Zeitsprünge wurde auch eine anhaltende Spannung geschaffen. Am Nahesten gingen mir im Grunde die tragischen Verkettungen der jeweiligen Umstände, in denen sich Arthur, Helen, Bill und Jenny sowie Vince und Michelle befanden: So viel Ungesagtes, Unausgesprochenes....

 

Fazit:

 

Ein fiktiver, sehr interessant geschriebener Roman im Genre anspruchsvolle Literatur, der an den wahren Fall auf Eilean Mòr und dem Verschwinden dreier Leuchtturmwärter (1900) angelehnt ist; in dem jedoch einige Konturen für mich allzu verschwommen bleiben, um sich ein definitiv klares Bild von allen ProtagonistInnen machen zu können. Der Roman spürt jedoch auf gekonnte Weise Verlusten nach und was dies für die Hinterbliebenen bedeuten kann, wenn das Schicksal der Verlorenen unklar ist: Verluste können dann traumatisieren und trennen und verändern das Leben Hinterbliebener für alle Zeit.