Rezension

Cornwall mal etwas anders

Die Leuchtturmwärter -

Die Leuchtturmwärter
von Emma Stonex

Bewertet mit 4 Sternen

Die Maiden ist ein Leuchtturm draußen auf dem Meer vor der Küste Cornwalls. Wenn ich normalerweise an Cornwall denke, kommt Urlaubsfeeling auf, erscheinen schöne Landschaften und etwas seichtere Romantik vor meinem inneren Auge. All diese Dinge bringt das Debüt von Emma Stonex nicht mit, sondern vielmehr eine raue, düstere, bedrückende Atmosphäre, in der die Protagonisten lieben, leben und schließlich auch trauern müssen.

Der Roman bewegt sich in zwei Zeitebenen auf das Verschwinden der drei Dienst habenden Leuchtturmwärter zu. Eine Ebene beschäftigt sich mit den Erinnerungen der Ehefrauen zwanzig Jahre nach dem Schicksalsschlag. Hier versucht ein geheimnisvoller Autor unter Pseudonym, die Geschichte um das Verschwinden zu rekonstruieren und literarisch aufzubereiten. Die zweite Ebene ist live dabei und begleitet die Leuchtturmwärter während ihrer letzen Tage auf ihrem Leuchtturm, der Maiden.

Die drei Männer auf dem Leuchtturm sind Arthur, Bill und Vincent. Alle drei haben ihre Vergangenheit und auch ohne die Enge und Abgeschiedenheit der Maiden ihr Päckchen zu tragen. Sie sind keine Männer vieler Worte, machen fast Alles mit sich selbst aus. So konnte ich in ihre jeweilige Gedankenwelt eintauchen und sie samt ihrer dunkelsten Geheimnisse kennenlernen. Interessant waren für mich darüber hinaus die zeitintensiven Hobbys, mit denen Arthur, Bill und Vincent die freie Zeit im Turm verbringen. Etwas überraschend empfand ich ihr Engagement in Sachen Reinlichkeit. Auf dem Festland sehnen sich die Ehefrauen nach ihren Leuchtturmwärtern. Sie wohnen in Cottages, die den Familien der Wärter zur Verfügung gestellt werden. So leben die Wärterfamilien in einem Mikrokosmos aus langen Trennungsphasen, unerfüllter Sehnsucht und Eifersucht. Gehemmte Kommunikation treibt ein Fremdwerden voran, führt zu Hirngespinsten.

Die Autorin schafft eine bedrohliche Stimmung, die sich immer weiter zuspitzt bis zum alles entscheidenden Ereignis. Ihre literarische Mystik wurde zunehmend unglaublicher, so dass ich zwischendurch schon etwas Übernatürliches im Sinn hatte. So wird letztlich transparent, wozu der menschliche Verstand fähig ist, wie Einbildung zur Wahrheit mutieren kann. Besonders gefallen haben mir die verschieden Erzähl-Perspektiven, die jeweils die Sichtweise der Protagonisten einnehmen. Erst durch die Summe an Blickwinkeln wird die problematische Situation der Leuchtturmfamilien übergreifend sichtbar. Bereichernd habe ich auch das gelegentliche Abweichen vom reinen Prosatext mittels Gedichten oder Interviewaufzeichnungen empfunden.

Insgesamt hat mir der Geheimnis umworbene Roman mit seinen vielen Puzzleteilen gut gefallen. Vielleicht hätte ich mir eine etwas frühere und intensivere Aufklärung des Sachverhalts gewünscht, wobei die späte Auflösung hier auch ihren Reiz hatte. Die Anspannung und Neugier beim Lesen schwillt maximal an, weil man endlich wissen möchte, wie genau es nun zu dem Verschwinden gekommen ist.