Rezension

Atmosphärisches Drama über Schuld, Liebe, Lügen und Verrat, das die Spannung stetig anwachsen lässt - inspiriert von einem wahren Ereignis, das bis heute ein Mysterium ist.

Die Leuchtturmwärter -

Die Leuchtturmwärter
von Emma Stonex

Bewertet mit 4 Sternen

Im Dezember 1972 verschwinden die diensthabenden Leuchtturmwärter von Maiden Rock spurlos. Die Tür des Leuchtturms ist von innen verschlossen, der Tisch für zwei Personen gedeckt, die Uhren sind stehengeblieben, aber die Laterne leuchtet noch. Niemand weiß, was passiert ist, Verschwörungstheorien kommen auf, Verdächtigungen werden ausgesprochen. Insbesondere der junge Hilfswärter Vincent Bourne, der erst 1970 aus dem Gefängnis entlassen worden war, gerät in Verdacht, an dem Verschwinden Schuld zu sein. Die verantwortliche Leuchtfeuerverwaltung Trinity House hält im Frühjahr 1973 eine Abschiedszeremonie ab und übrig bleiben drei Frauen, die ohne ihre Männer und im Unklaren über ihren Verbleib weiterleben müssen.
20 Jahre später möchte der bekannte Autor Dan Sharp ein Buch über das Mysterium schreiben und den Frauen die Chance geben, Gehör zu finden. Doch nur Helen, die Frau des Oberwärters Arthur Black, ist wirklich bereit, sich zu öffnen.
"Die Leuchtturmwärter" ist inspiriert von einem realen Ereignis. Der Flannan-Isles-Leuchtturm bei Schottland erlangte traurige Berühmtheit durch das Verschwinden dreier Wärter im Jahr 1900, das nie vollständig aufgeklärt wurde.
Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und schildert die Ereignisse im Dezember 1972 aus Sicht der drei Leuchtturmwärter Arthur Black, Bill Walker und Vince Bourne. Arthur ist der Oberwärter, Bill ein erfahrener Kollege, Vince ein neuer Hilfswärter. Jeder von ihnen hat einen anderen Bezug zum Meer und zum Leuchtturm sowie einen unterschiedlichen Beweggrund, dieser besonderen Tätigkeit, bei der sie über Wochen von der übrigen Zivilisation getrennt und nur sich selbst überlassen sind, nachzugehen.
1992 sind es die hinterbliebenen Frauen Helen, Jenny und Michelle, die sich durch die Recherchen des Autors noch einmal den Geistern der Vergangenheit stellen müssen, wobei der Autor als Person keine Rolle spielt. Die Interviews werden passiv ohne wörtliche Rede wiedergegeben.
Durch den Wechsel der Perspektiven, der Offenheit Helens und den Rückblenden in die Vergangenheit ist es möglich, sich seine eigenen Gedanken zu dem mysteriösen Verschwinden der Leuchtturmwärter zu machen und über die Ereignisse von Silvester 1972 zu spekulieren. Während Menschen wie Helen an eine übersinnliche Macht glauben, beschuldigen andere den aus dem Gefängnis entlassenen Hilfswärter. Tatsächlich ergibt sich durch die Erzählungen ein Geflecht aus Lügen und Geheimnissen, die durch massive zwischenmenschliche Differenzen Arthur und Bill in einem anderen Licht dastehen lassen. Auch was sich unmittelbar vor der Silvesternacht abspielte, ob es tatsächlich Besuch von einem Mechaniker gab und wer der ominöse silberne Mann ist, der von verschiedenen Menschen gesehen wurde, erscheinen undurchsichtig und wirken verdächtig.
"Die Leuchtturmwärter" ist ein atmosphärisches Drama über Schuld, Liebe, Lügen und Verrat, das die Spannung stetig anwachsen lässt.
Im Fokus des Romans steht nicht die Aufklärung eines Verbrechens, eines Unfalls oder eines Aberglaubens, sondern die Figuren, ihre Motivation, der einsame Arbeitsalltag auf einem Leuchtturm und die Folgen für die Arbeiter, aber insbesondere auch für ihre Familien, mit einem ebenso einsamen und rastlosen Leben zurechtkommen müssen.
Geschickt schafft es die Autorin, verschiedene Theorien über das unerklärliche Verschwinden der drei Leuchtturmwärter aufzustellen und ein Konglomerat als Lösung erscheinen zu lassen. Dennoch bleiben nicht nur für die hinterbliebenen Frauen Fragen offen, so dass das Mysterium aufrechterhalten bleibt und die Grenze zwischen Realität und Einbildung verschwimmen.