Rezension

Ein Ticken Emotionalität zu wenig

Nichts ist gut. Ohne dich.
von Lea Coplin

Bewertet mit 4 Sternen

„Nichts ist gut. Ohne dich“ von Lea Coplin hat meine Aufmerksamkeit erweckt, weil ich mich bei dem wunderschönen Cover an den dtv-Stil erinnert gefühlt habe, der auch bei meiner Lieblingsautorin aus diesem Verlag, Colleen Hoover, zu finden ist. Zudem gab es einen vielversprechenden Klappentext, der mich auf eine emotionale und mitreißende Liebesgeschichte hoffen ließ.

Beim Anfang dieses Buches war ich unheimlich überrascht, wie schnell sich der erste Eindruck von der weiblichen Protagonistin, Jana, gewandelt hat. In den ersten zwei Kapiteln aus ihrer Sicht habe ich Jana als empfindsam, schüchtern und tief verletzt erlebt. Die Grundaspekte der Empfindsamkeit und der tiefen seelischen Verletzung bleiben auch hinterher bestehen, aber als ich dann plötzlich eine abenteuerlustige, selbstbewusste, sture und bockige Jana kennenlernen durfte, hat mir der Mund vor Überraschung doch länger aufgestanden. Mit diesen Voraussetzungen war mir klar, dass es mit Jana etwas anstrengend werden könnte, da sie kaum rational denkt, sondern immer aus dem Bauch heraus entscheidet und damit in das ein oder andere Fettnäpfchen tritt oder auch mal ohne Rücksicht auf Verluste agiert. Dies mitzuverfolgen habe ich dahingehend als anstrengend empfunden, weil ich selbst so gar nicht so bin und ich somit die Verhaltensweisen oftmals gar nicht nachvollziehen kann. Dennoch habe ich die Lektüre als sehr spannende Reise mit Jana empfunden, die über die Liebe ihren Frieden mit sich selbst schließt und sich somit selbst erst richtig kennenlernt. Solche Entwicklungen begleite ich nämlich immer gerne.

Janas männlicher Gegenpart Leander hatte es nicht ganz so schwer bei mir, weil er mir mit seiner Empathie, seiner Treue, seinem Gerechtigkeitssinn und seiner Verletzlichkeit einfach auf Anhieb gefallen hat. Man hat ihm seinen altersbedingten Vorteil gegenüber Jana schon deutlich angemerkt, da er eben total rational denkend unterwegs war. Aber auch er hat sich selbst noch nicht gefunden und befindet sich eher in einem Schwebezustand, der durch den drohenden Tod seiner schwer kranken Mutter natürlich gut nachzuempfinden ist. Auch er befindet sich in diesem Buch auf einer Reise zu sich selbst, bei ihm kommt die Selbsterkenntnis aber nicht ganz so deutlich heraus, vielleicht auch weil der Fokus (der ansonsten sehr gerecht aufgeteilt ist) gegen Ende hin eher bei Jana liegt.

Da beide durch den gleichen Aspekt in ihrem Leben schwer geprägt wurden und sich beide dadurch noch nicht selbst gefunden haben, haben sich die beiden gut ergänzt und mit der Zeit eine echt gute Chemie entwickelt. Zu Beginn war diese Chemie noch etwas im Ungleichgewicht, weil Jana sich gegenüber Leander eher unnachgiebig verhalten hat und weil er eben eher die kleine Schwester in ihr sah. Als diese Chemie aber einmal da war, konnte man schon sehr gut mit den beiden mitfiebern. Die Kussszenen zwischen den beiden waren richtig elektrisierend, die Sexszene war dagegen so weit ausgespart, dass für mich ein wenig ein Bruch in ihrer Verbindung entstand, die zum Glück am Ende aber wieder da war.

Auch wenn Vergleiche zu anderen Autoren immer Nachteile mit sich bringen und der Vergleich zu Hoover ja auch von mir selbst kreiert ist, muss ich diesen einfach wagen. Denn er zeigt mir deutlich, dass dieses Buch dieses letzte bisschen an Emotionalität, das Hoover immer hervorzaubert, nicht herauskitzeln kann. Die Aufarbeitung des Verlustes von Tim und Leanders Schuldgefühle an seinem Tod und schließlich auch noch weitere Handlungsaspekte, die ich hier nicht spoilern möchte, werden ein Stück weit zu oberflächlich behandelt. Gerade Leanders Brief, der seine Involvierung in Tims Tod erklärt, den hätte ich selbst gerne mal gelesen. Ich hätte gerne Maries Probleme damit näher ergründet, ich hätte auch Janas Beziehung zu ihrer Mutter und ihrem toten Bruder transparenter gehabt. All das sind keine Must-Havs für diese Geschichte, weil „Nichts ist gut. Ohne dich“ auch ganz wunderbar ohne diese funktioniert, aber wenn sie da gewesen wären, hätte es die Erzählung echt perfekt machen können!

Fazit: „Nichts ist gut. Ohne dich“ ist ein zufriedenstellendes NA-Buch, das eine schöne Liebesgeschichte erzählt und vor allem den Protagonisten genug Raum gibt, um sich selbst zu entfalten. Die emotionale Ebene dagegen hätte ich mir noch stärker gewünscht, da ich mich mit gewissen Ergänzungen vermutlich noch besser mit Jana und Leander hätte identifizieren können.