Rezension

Faszinierend seltsam - Steampunk-Fantasy zwischen Spannung und Unglaubwürdigkeit

Die Seltsamen - Stefan Bachmann

Die Seltsamen
von Stefan Bachmann

Bewertet mit 3 Sternen

In der Tat: "Die Seltsamen" ist ein seltsames Buch. Düster und fantasievoll; es glänzt vor allem durch seine sprachliche Geschicklichkeit und Detailliebe, die kaum vermuten lassen, dass es sich hierbei um das Debüt eines 18jährigen handelt.

Bachmann entführt uns in ein retro-futuristisches England (durchsetzt mit Elementen des Steampunk), in dem Feenwesen und Menschen notgedrungen Seite an Seite leben, nachdem sich - gleich einer alles verschlingenden Naturkatastrophe - ein Tor zwischen den Welten geöffnet hat. Bachmanns Feen sind dabei weit entfernt von dem Bild des schillernden ätherischen Wesens aus Märchenbüchern. Klein und bleich, mit schwarzen Käferaugen und allerlei zwielichten Handlangern haben sie sich weitestgehend den Gepflogenheiten der Menschen angepasst. Dann jedoch stellt eine Mordserie an Mischlingskindern, den sogenannten "Seltsamen", die Allianz zwischen Feen und Menschen auf die Probe. Nun erwacht das gegenseitige Misstrauen.

Im Mittelpunkt stehen die Geschwister Bartholomew und Hettie Kettle, Kinder einer menschlichen Mutter und einem Feenvater, ungeliebte Außenseiter, Seltsame, die in den Slums von Bath leben und von denen die vornehme Oberschicht kaum Notiz nimmt. Dann geschieht ein weiterer Mord und Bartholomew stößt zeitgleich mit dem Politiker Arthur Jelliby auf eine Spur - mehr noch, Bartholomew befürchtet, das nächste Opfer zu sein.

Die Geschichte hat viele spannende Momente, leidet jedoch an einer gewissen Gleichförmigkeit im Erzählstil, der auf den Gedanken Jellibys und Bartholomews aufbaut und nur selten auf Dialoge zurückgreift. So bewegt sich der Leser zu oft innerhalb der Ratlosigkeit der Hauptfiguren, die zwar schnell auf der richtigen Spur sind, aber nur selten dazu übergehen, die Geschehnisse zu analysieren und in größeren Zusammenhängen zu betrachten.

Dem Buch hätte die ein oder andere Unterhaltung zwischen den Protagonisten wirklich sehr gut getan. Bachmann hätte diese dazu verwenden können, einige Erklärungen zu liefern und der Gegenwart seiner Helden und den magischen Fähigkeiten der Feen mehr Substanz zu verleihen. Hinsichtlich der Hintergründe und Gesetzmäßigkeiten dieser magisch durchwirkten Welt bleibt vieles allzu offen.

Und auch die Charaktere Jelliby (der in seiner Unbeholfenheit ein wenig an Johnny Depps Performance des Constable Ichabod Crane in Sleepy Hollow erinnert) und Bartholomew hätten mithilfe wohlplazierter Dialoge gewinnen können.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die vielen tollen Zufälle, die Jelliby immerzu zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein lassen, die ihn auf die richtige Spur führen und zusammen mit Bartholomew immer wieder vor größerem Unheil bewahren. Hier hat Bachmann das "Glück" arg überstrapaziert. Scheint eine Marotte des Autors zu sein, die er dringend ausmerzen sollte. Auch in seinem jüngsten Werk, "Palast der Finsternis", ist mir sein Hang zu unglaubwürdigen Konfliktlösungen aufgefallen.

Fazit: Viele schöne Details, eine Geschichte zwischen Steampunk und düsterer Fantasy, spannend aber noch zu sehr an der Oberfläche verweilend. Auch fehlen entschieden einige Dialoge. 3,5 Punkte mit der Hoffnung auf eine Steigerung im Folgeband und weniger tolle Zufälle.