Rezension

Tolle Dystopie mit etwas nervigen Charakteren

Artikel 5 - Kristen Simmons

Artikel 5
von Kristen Simmons

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt

Ember lebt zurzeit der Moralstatuten. Das bedeutet, dass ihr Leben von religiös-fanatischen Artikeln bestimmt wird. So wird ihre Mutter angeklagt, gegen Artikel 5 verstoßen zu haben, der besagt, dass man unverheiratet kein Kind zeugen darf. Ihre Mutter wird verhaftet und Ember in eine Besserungsanstalt geschickt. Noch schlimmer, als von ihrer Mom getrennt zu werden, ist die Tatsache, dass ihre Jugendliebe Chase bei der Verhaftung beteiligt war. Sie zwingt sich, ihre Gefühle für ihn zu vergessen und schwört, dass sie ihre Mutter rettet, koste es, was es wolle...

Die Protagonistin

Ember ist sehr wohlbehütet und fernab vom Krieg aufgewachsen. Sie lebt in einer der wenigen Städte, in denen es noch eine Tankstelle gibt und kann auch weiterhin zur Schule gehen. Dennoch ist es auch an ihr nicht spurlos vorbeigegangen, dass die Artikel und die sie ausführende Moralmiliz die Bürger, die sie eigentlich schützen sollten, immer mehr einschränken, mehr noch, eine immer größer werdende Gefahr darstellen. So gibt sich Ember alle Mühe, nach den Regeln zu leben, sich unauffällig zu verhalten und ihre rebellisch anmutende Mutter zu schützen. Als all das nicht hilft und sie für ein "Verbrechen" bestraft wird, das ihre Mutter ohne böse Absicht vor 17 Jahren (!) "begangen" hat, wird ihr Kampfgeist geweckt und ihr Leben wird sich fortan alles andere als ruhig und auffällig gestalten...

Eigene Meinung

"Artikel 5" von Kristen Simmons ist eine solide, angenehm düstere Dystopie, die leider ziemlich anstrengende Charaktere zu bieten hat.

Der Schreibstil ist eine gute Mischung aus Komplexität und Leichtgängigkeit. Direkt, bildhaft und flüssig zu lesen. Erzählt wird das Ganze von Ember aus der Ich-Perspektive, wodurch viel Raum für eigene Spekulationen bleibt. Kursiv gedruckte Erinnerungen geben der Beziehung von Ember und Chase ein wenig Tiefe. 
Die Charaktere sind Simmons an sich gut gelungen. Sie sind vielseitig und überraschen den Leser ein ums andere Mal. Gleichzeitig verdeutlicht sie durch ihre Figuren, dass man nicht nur Schwarz-/Weiß sehen darf. Umso anstrengender und enttäuschender gestalten sich dagegen die Protagonisten, wobei Ember den Vogel abschießt.

Wo wir direkt bei der Lovestory sind, die in diesem Band doch recht mau ausfällt, obwohl sie ziemlich im Mittelpunkt steht. Von Anfang an ist klar: Ember und Chase waren zusammen und werden auch wieder zusammen kommen, es ist nur eine Frage der Zeit...tatsächlich lässt sich die Autorin ziemlich viel Zeit dabei. So viel, dass man richtig genervt ist. Es ist ja nicht so, dass eine Dystopie von einer Romanze abhängig ist, aber sich dabei ewig im Kreis zu drehen muss auch nicht sein.

Die Geschichte selbst konnte mich dafür aber voll und ganz überzeugen. Abgesehen von den begriffsstutzigen Charakteren, kriegt man an jeder Ecke Spannung geboten, immer mal wieder von ein paar ruhigen Momenten unterbrochen. Das erdachte Zukunftsszenario ist jetzt nicht die Innovation schlechthin, Simmons hat jetzt auch nicht die "abgefahrenste" Idee, dafür wird nichts verschönert und sie kreiiert eine fesselnde Atmosphäre. Das Setting und die Zustände sind sehr authentisch und mehr als einmal durchaus brutal und schockierend.

Allerdings finde ich es schade, dass man so wenig darüber erfährt, wie es zu diesem Umbruch gekommen ist. Dabei spielt das Ganze so kurz nach den Kriegen, dass Chase sogar einen Teil davon selbst erlebt hat. Dieser Umstand hat mich teilweise ziemlich verwirrt, vor allem, wenn es um verschiedene Zeitspannen ging. Chase hat schon so viel erlebt, hatte aber eine Kindheit und mehr mit Ember, ist schon seit einem Jahr beim FBR und trotzdem noch so jung. Da musste ich öfter mal stutzen.

Die Gestaltung des Buches ist richtig klasse! Das Cover ist schon ein Hingucker - die Farbgebung bietet genau den richtigen Kontrast, um die nötige Stimmung zu kreiieren. Selbst der Klappentext ist nicht "normal", findet man dort nicht eine Zusammenfassung, sondern die ersten 5 Moralstatuten.

Fazit

Kristen Simmons "Artikel 5" ist eine tolle Dystopie, die genau die düstere Stimmung verbreitet, die ich mir von diesem Genre erhoffe. Etwas begriffstutzige und anstrengende Charaktere treffen auf eine Realität, die den Leser mehr als einmal zu schocken vermag.  Die Spannung wird konstant gehalten und auf ein wenig Gefühl muss man auch nicht verzichten. Würden sich die Protagonisten, ihre Beziehung betreffend, nicht dauerhaft im Kreis drehen, hätte ich fast nichts zu meckern gehabt. Somit gibt es einen kleinen Punktabzug, der aber nichts an meiner Empfehlung ändert - 4/5 Bücher!