Rezension

Bewegend

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt: Die junge Dolmetscherin Eva Bruhns wird überraschend engagiert um während einer Gerichtsverhandlung die Aussagen polnischer Zeugen zu übersetzen.
Völlig ahnungslos gerät die junge Frau in einen Prozess gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher, die im KZ Auschwitz unglaubliche Gräueltaten verübt haben sollen.
Zunächst kann Eva die Aussagen der Opfer kaum glauben, zu furchtbar sind die Taten. Doch schon bald spürt sie, dass sie selbst mehr mit den Verbrechen zu tun hatte, als ihr bislang bewusst war.
Weder mit ihren Eltern, die die Gaststätte „Deutsches Haus“ betreiben, noch mit ihrem Verlobten Jürgen kann sie über das Gehörte sprechen ohne auf eine Mauer aus Schweigen zu stoßen. 
Meine Meinung: Ich wurde von der Geschichte völlig in den Bann gezogen und habe das Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen. 
Die Autorin Annette Hess versteht es ausgezeichnet Fiktion und Fakten zu verweben. Teilweise wurden Ausschnitte aus Originalzeugenaussagen der Auschwitzprozesse verwendet, die auch heute nichts an Grausamkeit und Schrecken verloren haben.
Eva selbst war während des Krieges noch zu klein um sich bewusst zu erinnern. Umso heftiger treffen sie nun die Fakten, die durch den Prozess ans Licht kommen.
Evas Familie steht exemplarisch für eine ganze Generation, die alles tut um sämtliche Erinnerungen an Erlebtes, sei es als Täter, Mitläufer oder Opfer, zu verdrängen. Scham und Schuldgefühle werden totgeschwiegen, obwohl sie teilweise durchaus vorhanden sind. 
Die Kriegsverbrecherprozesse reißen rund 20 Jahre nach Kriegsende die kaum verheilten Wunden wieder auf. Trotzdem sind sie nicht nur für die Opfer des Nationalsozialismus sondern auch für die deutsche Bevölkerung unglaublich wichtig um die Vergangenheit zu sühnen und zu verarbeiten. 
Fazit: Ein bewegendes Buch und ein hervorragendes Portrait der Deutschen während der 60iger Jahre, mitreißend und gefühlvoll geschrieben. Für mich ein Highlight!