Rezension

Ein Stück deutscher Geschichte

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Bewertet mit 5 Sternen

 Die Geschichte "Deutsches Haus" spielt 1963 in Frankfurt und im ebengenannten Deutschen Haus befindet sich die Gaststätte von Evas Eltern. Eva ist 24 Jahre, wartet sehnsüchtig auf einen Heiratsantrag bzw. das ihr Auserwählter Jürgen um ihre Hand bei ihrem Vater anhält. Evas Familie besteht desweiteren aus ihrer 28jährigen Schwester Annegret, einer Kinderkrankenschwester und aus ihrem kleinen Bruder Stefan. 
Während Eva noch auf den Antrag wartet, wird sie als Dolmetscherin, denn das ist ihr Beruf, für Polnisch gebraucht. Damit gerät eine Lawine ins Rollen dessen Ausmaße Eva nie erahnt hätte. Es handelt sich um einen Zeugen aus dem KZ von Ausschwitz und Eva wird durch einen verhinderten Dolmetscher schließlich Übersetzerin im ersten Ausschwitzprozess, wo ihre Eltern und auch ihr Verlobter strikt dagegen sind. 
Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, denn während ich als Leser weiß, was damals passiert ist und mich immer gefragt habe, wie gehen die Menschen, die damals gelebt haben, damit um, so erfahre ich dies nun durch Eva. Eva wurde in diese Zeit geboren und sie hat diese nicht bewusst erlebt bzw. in Erinnerung. Scheinbar wurde darüber auch nie gesprochen und nun kommt es zum Prozess und das Geschehen wird durch den Prozess und auch in der Zeitung öffentlich gemacht.  
Eva ist also völlig unbedarft als sie anfängt zu übersetzen. Obwohl nur einige Szenen hier im Buch wiedergegeben werden bzw. Eva diese übersetzt, habe ich als Leser ein viel größeres Bild und Kino im Kopf, da ich mehr weiß. Dies macht einen der besonderen Reize des Buches in meinen Augen aus, es wird mit wenigen Schaltern beim Leser ein ganzer Film erzeugt und nur im Gegensatz zu Eva war ich nicht Teil des Films. Eva hat damals schon gelebt und nun wird sie ihre Umwelt, ihre Mitmenschen und auch sich selbst, obwohl sie damals Kind war - am Ende des Krieges und am Ende von Ausschwitz 6 Jahre alt - mit ganz anderen Augen sehen und sie muss damit weiterleben. Parallel dazu wird das Leben mit Demenz erzählt und wie gerade im Vergessen des jetztigen Lebens das damalige zum Vorschein kommt. Außerdem wird besonders durch Eva das damalige Bild der Frau und ihre Rechte hervorgehoben. 
Ein absolut beeindruckendes Buch, weil es anhand  einiger weniger Szenen und teilweise nur indirekten Hinweisen auf das Geschehen es schafft ein Stück grausamster deutscher Geschichte zu erzählen, aber auch den Alltag der Familien in der damaligen Zeit.
Ein Buch, was über die Vergangenheit berichtet, und trotzdem in meinen Augen sehr aktuell ist, denn wie verhalte ich mich heute bezüglich politischer und gesellschaftlicher Ereignisse? Die Geschichte hat mich sehr nachdenklich gestimmt.... Chapeau!