Rezension

Niemals vergessen!

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Bewertet mit 4 Sternen

Die 24-jährige Eva Bruhns lebt noch mit ihren Eltern und Geschwistern unter einem Dach, die Familie führt den Gasthof „Deutsches Haus“. Obwohl ihre Eltern nicht begeistert sind, arbeitet Eva als Dolmetscherin. Für die erste Gerichtsverhandlung um die Auschwitzer Gräueltaten, der in Frankfurt gegen Kriegsverbrecher stattfindet, wird sie engagiert, um polnische Zeugenaussagen zu übersetzen und bekommt so durch ihre Arbeit während des Prozesses detailliert einige der Schreckenstaten des Zweiten Weltkrieges zu hören. Eva, die vorher völlig ahnungslos war, ist von den Aussagen regelrecht verstört, allerdings werden ihr schon bald die Augen geöffnet, als sie versucht, mit ihren Eltern und auch mit ihrem Verlobten über das Gehörte zu sprechen…

Annette Hess hat mit ihrem Buch „Deutsches Haus“ einen sehr eindringlichen und gleichsam spannenden Roman vorgelegt, der ein Stück Zeitgeschichte zum Thema hat, das nicht in Vergessenheit geraten darf. Der Schreibstil ist flüssig und eher pragmatisch, was aber gut zu diesem schwierigen Thema passt. Die Autorin wahrt gebührend Abstand, ohne jedoch respektlos zu erscheinen. Vielmehr lässt sie neben der Geschichte von Eva und ihrer Familie auch die Prozessopfer erzählen und auf den Leser wirken, dessen Emotionen während der Lektüre regelrecht Kapriolen schlagen. Die Handlung wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, was dem Leser einen guten Einblick in Hintergründe, Gedanken und Gefühle der Erzählenden liefert. So kommen Täter und Opfer zu Wort, aber auch diejenigen, die sich nicht gegen die Nazis gewehrt haben und einfach mitgelaufen sind, um sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Die Verwendung von echten Prozessaussagen untermauert das zusätzlich. Die Hintergrundrecherche ist der Autorin dagegen nicht so gut gelungen, denn obwohl sie Fiktion mit Fakten in ihrer Geschichte vermischt, sind die von ihr angeführten Daten nicht korrekt. Das sollte bei einem solchen Buch allerdings in jedem Fall stimmig sein. Auch bedient sie sich für ihre Handlung einiger Nebensächlichkeiten, die den Prozessen die Wichtigkeit und Ernsthaftigkeit nehmen. Weniger wäre hier mehr gewesen.

Die Charaktere sind interessant und vielfältig ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie spiegeln die damalige Zeit sehr gut wieder, so dass sich der Leser ein gutes Bild über die damalige Zeit machen kann. Eva ist eine junge und eher zurückhaltende Frau. Vom Elternhaus bevormundet und von ihrem Verlobten ebenfalls klein gehalten, hat sie kaum Selbstbewusstsein. Gleichzeitig besitzt sie die Stärke, sich durchzusetzen und ihren Weg zu gehen. Frauen waren zur damaligen Zeit immer noch eher am Herd zu vermuten, als dass sie einem Beruf nachgingen. Fritz Bauer ist Generalstaatsanwalt und leitet den Prozess, der allen viel abverlangt. Seine Aufgabe ist nicht nur mutig, sondern auch bewundernswert, denn er kämpft für Gerechtigkeit und bietet den Opfern ein Podium dafür. Auch die weiteren Protagonisten wie Evas Familie oder auch ihr Verlobter Jürgen spielen eindrucksvolle Rollen, deren Geschichten der Handlung weitere Perspektiven verleihen.

„Deutsches Haus“ ist durchaus ein gut gelungener Roman über eine Zeit, die wir Deutschen nie vergessen sollten. Allerdings fehlt es hier an der nötigen Ernsthaftigkeit und genauen Recherche, um ganz überzeugen zu können. Eine Leseempfehlung ist trotzdem verdient!