Rezension

Der 1. Fall für das Sonderdezernat Q

Erbarmen - Jussi Adler-Olsen

Erbarmen
von Jussi Adler-Olsen

Bewertet mit 4 Sternen

Nach einem missglückten Einsatz, bei dem Carl Mørck und sein Kollege Harry verletzt und ein weiterer Kollege getötet wurden, ist Carl für seine Einheit bei der Kopenhagener Polizei nicht mehr tragbar, da er psychisch stark angeschlagen ist und sich nicht in den Alltag einfügen will.

Man stampft ein neues Dezernat, das Sonderdezernat Q, aus dem Boden und ernennt ihn zu dessen Leiter. Einziger Mitarbeiter für Hilfsdienste wie Putzen und Kopieren ist Assad, ein syrischer Einwanderer. Aufgabe des Sonderdezernats ist es, lange zurückliegende und nie abgeschlossene Fälle neu zu bearbeiten. Als erstes nimmt sich Carl widerwillig den Fall Merete Lynggaard vor.

Die junge Politikerin war 5 Jahre zuvor auf einer Fähre entführt, ihr behinderter Bruder Tage später auf Fehmarn aufgegriffen worden. Er spricht nicht, und von Merete gibt es absolut keine Spur. Die Polizei vermutet, dass sie ertrunken ist, wobei es unklar bleibt, ob es Selbstmord, Mord oder ein Unfall war.
Doch Merete lebt. Sie wird in einem kahlen Raum unter entwürdigenden Bedingungen gefangen gehalten. Jedes Jahr an ihrem Geburtstag fragt die Stimme der Entführerin, ob sie weiß, warum sie hier ist. Natürlich hat sie keine Ahnung. Es folgt eine Bestrafung in Form von Überdruck, dauerndem Licht oder dauernder Dunkelheit.

Die Szenen mit Merete lesen sich absolut beklemmend. Faszinierend finde ich, wie Merete mit der Situation umgeht, dass sie sich täglich ihren Namen sagt, mitzählt, wie lange sie schon gefangen ist, Erinnerungen aufruft usw. So behält sie einen Bezug zur Außenwelt und verhindert, dass sie verrückt wird. Man fragt sich, wie krank jemand sein muss, um so etwas auszuhecken, und natürlich auch, was dahinter steckt. Leider hatte ich schon sehr früh den richtigen Verdacht, was mir ein bisschen den Spaß am Lesen und auch die Spannung genommen hat. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Carl Mørck den Täter finden würde.
Interessant ist die Zusammenarbeit bzw. die Entwicklung der Beziehung zwischen Carl und Assad. Assad mischt sich immer mehr in die Ermittlungsarbeit ein, obwohl er dafür überhaupt keine Befugnis hat. Doch ohne seine unkonventionellen Methoden würde der Fall möglicherweise nicht gelöst werden. Aus diesem Paar kann noch ein ganz großes Ermittlerteam werden. Denn es wird doch wohl noch mehr Bücher mit den beiden geben.

Gut finde ich, dass nicht grausame Folterszenen und blutige Details vorherrschende Themen in diesem Krimi sind, sondern überwiegend die Beschreibung der Ermittlungsarbeit, zum kleinen Teil spielt auch das Privatleben des Kommissars eine Rolle.

Insgesamt finde ich das Buch gut geschrieben. Es wird alles logisch entwickelt. Die Charaktere der Ermittler sind recht sympathisch, haben ihre Ecken und Kanten und sind noch weiter ausbaufähig. Dazu kommen einige Prisen Humor, die hier und da eingestreut werden, so dass sich das Buch sehr locker lesen lässt. Spannung kam für mich erst so richtig auf den letzten 60 Seiten auf, wo es darum geht, ob Carl schnell genug ist.