Rezension

Der alte Mann und der Kaffee

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Das Cover des Buches wirkte auf den ersten Blick für mich ein wenig platt und zu bunt. Beim zweiten Hinsehen allerdings hätte es passt kein besseres Cover geben können. Das sehr plastisch dargestellte verschüttete Kaffeepulver spiegelt Walters Leben ziemlich perfekt wider und die leuchtenden, bei der eher schweren Thematik fast schon unpassend wirkenden, Farben zeigen erstaunlich gut, wie er sein eigenes Leben wahrnimmt (ob das nun der Realität entspricht oder nicht).

Die Story klang erst einmal gar nicht so außergewöhnlich: Walter Schmidt ist ein Mann alter Schule – sprich: Ein Pedant, ein Rassist und ein Ignorant, der nichts wahrnimmt, was er nicht wahrnehmen will zumindest bis seine Frau Barbara plötzlich umkippt. Von einem auf den anderen Tag muss er sich plötzlich alleine um den Haushalt, den Garten und die Einkäufe kümmern, obwohl er nicht einmal Kaffee kochen kann. Er ist der festen Überzeugung, dass Barbara schon wieder auf die Beine kommen würde, wenn sie nur vernünftig essen würde. Deswegen versucht er sich nach und nach an verschiedensten Rezepten, die er durch den Fernsehkoch Medinski kennenlernt. Von da an kocht Walter jeden Tag für seine Frau und lernt die aufwendigsten Rezepte durch Videos auf YouTube. Doch Barbara geht es zunehmend schlechter…

Ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, was ich von diesem Buch erwarten sollte und vielleicht hat es mir auch deswegen so gut gefallen. Der Schreibstil von Alina Bronsky ist unglaublich eindringlich und gleichzeitig sehr schlicht, was nahezu perfekt zu Walter passt. Er ist jemand, der Gefühle und soziale Gefüge eher schlecht versteht oder ignoriert, folglich spielen diese auch im Schreibstil eine eher untergeordnete Rolle, obwohl mich die Geschichte als solche durchaus emotional berührt hat.

Zu Beginn des Buches fand ich Walter furchtbar. Statt sich um seine Frau zu sorgen, die einfach im Bad umgekippt ist und sogar eine Platzwunde davongetragen hat, ärgert er sich viel mehr darüber, dass er keinen Kaffee bekommt, weil den Barbara sonst immer gekocht hat. Ich fand seine Reaktionen auch im weiteren Verlauf der Geschichte immer wieder sehr befremdlich, habe Walter aber irgendwie trotzdem in mein Herz geschlossen. Ich kann gar nicht so genau, wann das passiert ist, aber habe ich mich in dem einen Moment noch darüber aufgeregt, wie stolz er darauf war, wie gut er seine Frau dazu erzogen hat, ohne Akzent zu sprechen oder ‚vernünftig‘ zu putzen, habe ich im nächsten Moment mit ihm mitgelitten, wenn er wieder verdrängt, wie schwer krank seine Frau ist. Ich habe immer wieder den Kopf geschüttelt, wie ignorant Walter tatsächlich ist und wie unselbstständig, auch wenn er etwas anderes behauptet und auch von sich annimmt. Dennoch steht er als nahezu perfektes Example für eine ganze Generation von Männern, die sich zwar als die Ernährer der Familie und deren Oberhaupt ansehen, sie es aber nicht sind, die die Familie zusammenhalten und für ihr Wohlbehalten sorgen. Vielleicht auch deswegen habe ich es geliebt zu sehen, wie Walter sich Schritt für Schritt aus seiner Tatenlosigkeit löst und versucht, seine Frau auf die einzige Art zu unterstützen, die er meistern kann, durchs Kochen. Das macht einem ein bisschen Hoffnung darauf, dass auch andere Männer dieses Alters noch lernfähig sind und es vielleicht schaffen, selbst auch wenig Teilhabe am Haushalt zu erlangen. 

Alles in allem habe ich es trotz des schweren Themas sehr genossen, dieses Buch zu lesen. Der eher emotionslose Schreibstil spiegelt Walters Gemüt perfekt wider, während der beißende Humor das Buch unterhaltsam macht. Zudem habe ich ihn trotz seines Verhaltens ins Herz geschlossen und würde ihm wünschen, dass er seine Frau durch das Kochen retten könnte. Das Ende passte zwar ziemlich perfekt zum Buch, es kam mir aber im Großen und Ganzen ein wenig zu abrupt und ich hätte mir mehr einen Abschluss gewünscht.