Rezension

Sehr gut beobachtet

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

Walter und Barbara sind seit Jahrzehnten ein Ehepaar. Barbara hat sich immer um alles gekümmert: um die Kinder, um den Haushalt, um Walter. Doch eines morgens wacht Walter auf und es riecht nicht nach Kaffee. Barbara ist nicht aufgestanden, sie ist krank, bleibt liegen. Ganz plötzlich muss Walter sich selbst und seine Frau versorgen. Schon an den kleinsten alltäglichen Dingen scheitert er. Bis Walter eine Facebookgruppe eines Fernsehkoches entdeckt und tatsächlich kochen lernt.

Das hört sich doch zunächst nach amüsanter Unterhaltungslektüre über schrullige Senioren an. Walters Bemühungen, seine Tollpatschigkeit und sein stoischer Ton erzeugen auch Heiterkeit. Doch je länger man an „Barbara stirbt nicht“ von Alina Bronsky liest, umso mehr bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

In Walter und Barbaras Ehe gab es strikte Regeln. Er war der Herr im Haus, sie hatte sich zu fügen. Walter ist engstirnig, ignorant, denkt in vorgefassten Schablonen. Er verweigert sich der Wirklichkeit, lässt Barbara nicht die medizinische Behandlung zukommen, die sie bräuchte. Solange Barbara nur genug isst, stirbt sie nicht, wird alles gut.

„Jeder Depp auf der Straße hat eine Meinung, die mehr zählt als meine. Ist sie eure Frau? Ist jemand dabei, Tag und Nacht, jede verdammte Sekunde? ….. Ich sag’s euch: Barbara stirbt nicht.«

Walters Wandlung zum Hobbykoch ist ja ganz reizend. Bis er selbst auftaut, bevor er aufhört Tiefkühlgerichte aufzutauen, ist noch ein langer Weg.

Freilich kann man sagen, besser spät als nie, aber seine Entwicklung ist nur aus der Not geboren. Glücklicherweise für das Buch wird Walter auch zum Schluss kein Softie und behält seine Schroffheit. Jahrzehntelange Verhaltensmuster lassen sich wohl wirklich nicht so einfach abstreifen.

Genaugenommen möchte ich gar nicht wissen, wie viele Partnerschaften heute noch auf dem Walterprinzip beruhen, und das nicht nur bei den älteren Semestern. So gesehen war das Buch weniger berührend als sehr genau beobachtet. Das Stück dramatische Familiengeschichte zum Schluss war mir dann einen Tick zu viel.