Rezension

Mein Gott, Walter!

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 5 Sternen

Walter ist Rentner und hat Zeit seines Lebens die Vollversorgung durch seine Ehefrau als Selbstverständlichkeit nicht nur hingenommen, sondern auch seine Standards definiert und abverlangt.
Doch dann wird Barbara, seine Frau, krank und er muss von einer Minute auf die andere alles daheim wuppen.
Er hat keinen blassen Schimmer und kann nicht mal Kaffee kochen.

Walter ist einfach fürchterlich! Er ist unsympathisch, unfreundlich, unselbständig und ein Ignorant. Was er nicht wahrhaben will, gibt es nicht. Ob es die gleichgeschlechtliche Beziehungen der Tochter (die Partnerin ist für ihn die beste Freundin), die gescheiterte Partnerschaft des Sohnes oder eben Barbaras Erkrankung ist (ist ein bisschen schlapp, muss nur anständig was essen).

Die Autorin schildert das alles so trocken und so real, als wären wir dabei. Und ja nun, so ein bisschen bis ganz schön viel Walter kennt man auch aus dem eigenen Familien- und Bekanntenkreis.

Wir als Lesende nehmen dabei Walters Perspektive ein, wissen also nur das, was Walter als seine Wahrheit gelten lässt. Sein Umfeld weiß deutlich besser Bescheid. Interessante Herangehensweise, die das Lesen spannend macht.

Im Laufe des Buches geschieht es dann - in ganz kleinen Schritten - Walter nimmt seine neue Rolle an. Natürlich bekommt er auch Hilfe, ganz viel aus dem von ihm bislang völlig unentdeckten Internet. Er entdeckt einen Fernsehkoch und mit dessen Facebook-Seite erobert er sich Zug um Zug die Kochwelt. Ganz köstlich zu lesen, wie Walter sogar eine kleine Internet-Berühmtheit wird.

Ich habe das Buch verschlungen, der böse Witz der Autorin, gepaart mit der treffender Charakterstudie einer Generation von Männern (ja, ich weiß, natürlich sind nicht alle so und es ist etwas überzeichnet) - ein echter Lesegenuss.
Sehr gelungen auch das Ende, nochmal ein Paukenschlag zum Abschluss.