Rezension

Die Zerstörungskraft einer Sucht

All das zu verlieren - Leïla Slimani

All das zu verlieren
von Leila Slimani

~~All das zu verlieren – Leila Slimani

Die französisch-marokkanische Autorin und Prix Goncourt-Preisträgerin Leila Slimani wird in Frankreich für ihre Erzählkunst gefeiert. Der Klappentext verweist auf die Beschreibung einer „modernen Madame Bovary“. Tatsächlich gibt es einige Ähnlichkeiten in Plot und Personal. Doch gerade die Handlung und deren Hintergründe (die fehlen), reichen bei Weitem nicht an das Original heran.

Das Cover finde ich sehr passend. Es ist zweigeteilt und zeigt dadurch sehr deutlich die Zerrissenheit der Protagonistin. Ihr Leben ist durch eine Sexsucht geprägt und weist eine dunkle, depressive Seite auf, die sie aber mit allen Mitteln geheim zu halten versucht. Nach außen zeigt sie eine perfekte, strahlende Seite.
Adèle ist mit ihrem Leben unzufrieden. Mit ihrem Mann verbindet sie eine reine Zweckehe, mit dem Kind ist sie überfordert – ihre einzige Ablenkung ist schneller, harter Sex. Sie will begehrt werden, um sich selbst zu spüren.
"Sie wäre so gerne die Ehefrau eines reichen Mannes, der nie da ist." Seite 15

Der Roman ist kühl und distanziert erzählt, gerade die vielen Sexszenen werden nüchtern erzählt. Zum Glück, denn nur durch die sachliche Beschreibung, werden diese abstoßenden Akte erst erträglich.
Es ist eine stakkato artige Aneinanderreihung von einzelnen Sequenzen aus ihrem Leben.  Die Autorin wirbt nicht um Verständnis für Adèle, sie hält den Leser auf Distanz, die Geschichte berührt nicht, sondern provoziert und schockiert durch ihre Direktheit und den Hang zur Selbstzerstörung der Protagonistin.

Man kann und soll sich nicht mit Adèle identifizieren, man kann sie auch nicht verstehen, sie ist ein absolut unsympathischer, lebensunfähiger Mensch. Sie konnte noch nicht mal mein Mitleid erwecken. Wohl aber kann man diesen Roman als Darstellung der Zerstörungskraft einer Sucht lesen. Adèle kämpft dagegen an, gelobt Besserung und scheitert immer wieder.
Geradezu emotionslos was den Alltag betrifft, sucht sie Betäubung und Ablenkung bei fremden Männern. Sie baut sich geradezu ein Doppelleben auf.

Am Ende bin ich unschlüssig, wie dieses Buch zu bewerten ist. Ich fand es nicht schlecht, aber auch nicht gut. Letztendlich war es mir zu distanziert, dadurch bleiben für mich sowohl die Figuren als auch die Handlung blass. Slimani erklärt nicht, liefert keine Begründungen oder Hintergründe, es ist eine reine Zustandsbeschreibung.
Die hochgelobte Sprachkunst, die ich gerne anerkenne, reicht mir hier leider nicht.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 15. Juni 2019 um 19:43

Keine Bepunktung.