Rezension

Ein ausgeklügelter und spannender Fall vor der lebendigen Kulisse New Orleans

Höllenjazz in New Orleans
von Ray Celestin

Bewertet mit 5 Sternen

Ray Celestin nimmt uns mit auf eine Reise durch die am Mississippi gelegene Hafenstadt New Orleans. Eine Stadt, die den Süden Amerikas mit Charme, Einzigartigkeit, Lebendigkeit und Leichtlebigkeit ausmalt: Bars und Bordelle, die zu dem Spitznamen "The Big Easy" beitrugen, Mafiosi, zahlreiche Einwanderer, beeindruckende Bauten im French Quarter, Mausoleen, jazzerfüllte Straßen, Mardi Gras, eine durch verschiedene Einflüsse entstandene Esskultur von Po’ boy bis Gumbo, magische Voodoo-Riten oder die sumpfigen Gebiete der Bayous, in denen vereinzelnd Irrlichter tanzen.

Doch ein Schatten wird über die Stadt geworfen, als der blutrünstige Axeman auftaucht. Seine Taten sind unvorhersehbar und werfen Fragen auf: vorwiegend italienisch-stämmige Lebensmittelhändler werden äußerst brutal niedergemetzelt. Der Täter geht dabei still und heimlich vor. Von den Opfern ist kein Schrei zu vernehmen, so schnell agiert dieser. Es gibt keinerlei Anzeichen eines gewaltsamen Eindringens. Fast könnte man den Ausführungen des Axeman in seinem Brief an die New Orleans Times Picayune Glauben schenken, er sei ein Dämon aus der Hölle.

Die Ermittlungen laufen aus drei Richtungen. Michael Talbot, der für den Fall zuständige Ermittler der hiesigen Polizeistelle, sieht sich jedoch nicht nur mit dem scheinbar unlösbaren Fall konfrontiert, sondern auch mit der Abneigung seiner Kollegen. Michael ließ nicht nur vor einigen Jahren seinen korrupten Mentor auffliegen, der in Mafia-Geschäfte verwickelt war, sondern er hat auch ein privates Geheimnis, welches ihm zum Verhängnis werden kann, sollte dies öffentlich werden. Kerry, ein sympathischer, just ausgewanderter Ire, wird sein Gehilfe und erweist sich als sehr fähig und hilfreich.

Luca D’Andrea, italienisch-stämmiger Expolizist und Michaels besagter früherer Mentor, wird nach mehrjähriger Haft aus Angola entlassen. Er ermittelt im Auftrag der Mafia, deren Geschäfte durch den Axeman und damit verbundenen polizeilichen Durchsuchungen und Schließungen leiden.

Zuletzt das Gespann Ida Davis - eine sehr junge, hellhäutige Kreolin, die bei der Pinkerton Detektei arbeitet und sich beweisen will - und ihr Kindheitsfreund - der Jazzmusiker Lewis Armstrong.

Ray Celestins Geschichte ist sehr ausgeklügelt und spannend. Bis zuletzt tappt der Leser im Dunkeln und kommt dem Mörder, ebenso wie die Protagonisten, nur im Zuge der Ermittlungen stückchenweise näher. Dabei werden einzelne Puzzleteilchen aus den verschiedenen Perspektiven zusammengesetzt, die am Ende ein - zumindest für den Leser - schlüssiges Ganzes ergeben. Das Buch ist nur schwer aus den Händen zu legen, da man unbedingt wissen möchte, ob und wie der Fall gelöst wird. Dabei begeben sich die Ermittler selbst in tödliche Gefahren. Des Rätsels Lösung ist schließlich verblüffend, unerwartet und hat mich zumindest mit zwiespältigen Gefühlen in Bezug auf die Beweggründe des Mörders zurückgelassen.

Die Fülle an Figuren, die im Laufe der Geschichte aufkommt, wirkt keineswegs erdrückend. Sie fügen sich stimmig in die Geschichte ein, sodass diese gut zuordbar sind. Ein Personenregister am Anfang des Buchs dient als kleine Stütze. Auf ihre ganz eigene Weise hat jeder Charakter eine starke, authentische und sympathische Persönlichkeit, von denen mich Ida jedoch am meisten beeindruckte. In einer Welt, in der sie weder "Schwarz noch Weiß" ist, hat sie es besonders schwer, doch sie bleibt trotz aller Diskriminierungen und Übergriffe ungebrochen, mutig und geht ihren Weg.
Die detailliert-bildhafte Schreibweise des Autors, sein beträchtliches Hintergrundwissen über die Stadt, Geschichte und Kunst des Jazz transportieren den Leser mitten ins Geschehen. New Orleans erbaut sich vor dem inneren Auge und wird lebendig. Wir sitzen selbst in Cafes und suchen Schutz vor dem unaufhörlichen Regen, springen auf vorbeifahrende Straßenbahnen, grübeln mit den Figuren über die bruchstückhaften Informationen, sind ratlos und im nächsten Moment tanzen und lauschen wir dem lebhaften Jazz, der den Axeman fernhalten soll.

Fazit: Celestin ist es meisterlich gelungen, Fiktion und reale Begebenheiten in einem genialen und raffinierten Krimi zu vereinen. Es war ein wahrer Genuss in diese vielschichtige Welt mit den toll ausgearbeiteten Figuren und Themen einzutauchen und sich in den Bann ziehen zu lassen. Begeistert und gespannt warte ich nun auf den zweiten Teil, der durch den Cliffhanger am Ende des Buchs versprochen wird und bereits unter dem Titel "Dead Man's Blues" erschienen ist. Dieses Mal in Chicago und mit Al Capone.