Rezension

ein Buch zum schwärmen und genießen

Kissing Lessons - Helen Hoang

Kissing Lessons
von Helen Hoang

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als ich das Cover von Kissing Lessons das erste Mal gesehen habe, wusste ich genau, dass ich das Buch lesen muss. Dabei wusste ich noch gar nicht worum es überhaupt geht, aber die Bücher von KYSS haben mich bis jetzt noch nie enttäuscht. Das schöne Cover schrie nur: Total schöne Liebesgeschichte, die unbedingt gelesen werden muss!

Nun aber ein paar Fakten für euch. Kissing Lessons ist das Debüt von Helen Hoang, die durch ihre eigenen Erfahrungen viel Persönliches in dieses Buch hat einfließen lassen. Es ist der Auftakt der Kiss, Love & Heart Trilogie, die ich ins Genre Contemporary Romance einordnen würde. Veröffentlicht wurde der Roman im KYSS Verlag, einem Imprint vom Rowohlt Verlag, im Oktober 2019.

„Wenn er innerhalb der nächsten zwei Unterrichtsstunden nicht alle ihre Kästchen abhaken konnte, würde er sich verpflichtet fühlen, ihr Arrangement zu verlängern, und das war eine schlechte Idee. Er könnte etwas Dummes tun und sich in sie verlieben.“ S. 109

Stella ist Ökonometrikerin und liebt ihre Zahlen und ihre Arbeit. Als Autistin mag sie sowieso nichts, was ihre Routine stört. Insgesamt wäre alles perfekt, wären da nicht ihre Eltern, die sie unbedingt verheiratet sehen wollen und ein Blind-Date nach dem anderen einfädeln. Dates bedeuten Männer und das bedeutet körperliche Nähe und das wiederum Küssen. Eigentlich sollte Küssen einfach sein, doch für Stella fühlt sich jedes Mal wie ein Hai, dem ein Pilotfisch die Zähne säubert. Das ist weder für die Männer noch für sie angenehm. Doch ein dahingesagter Satz bringt sie ins Grübeln. Übung macht den Meister, oder? Auch beim Küssen? Ab da ist Stella von der Idee nicht mehr abzubringen. Wer bringt einem das Küssen besser bei, als ein Profi? Kurzerhand engagiert Stella den Escort Michael, der eine ganz eigene Vorstellung davon hat, wie Unterricht zu gestalten ist.

Jetzt denken viele wahrscheinlich, dass noch eine Liebesgeschichte auf dieser Welt nicht unbedingt hätte sein müssen. Vor allem mit solch einer abstrusen Handlung und total verrückten Charakteren. Gerade das fand ich reizvoll an der Geschichte. Denn, wenn man mal ehrlich ist, möchte man keine Geschichte über zwei ganz normale Menschen lesen, die sich irgendwann über den Weg laufen, sich verlieben und Happy End. Das ist auch unrealistisch, denn niemand von uns ist normal und jeder hat seine Probleme.

Und so realitätsfern sind die Probleme unserer Protagonistin Stella gar nicht. Stella ist Autistin und hat ihre ganz eigenen Bedürfnisse um jeden Tag zu meistern. Erst war ich skeptisch ob die Dinge relaistisch dargestellt werden, denn ich habe keine Bekannten oder Freunde, die dieses Symptom haben. Meine Skepsis verflog sehr schnell als ich über die Entstehung des Buches gelesen habe. Helen Hoangs Tochter hatte den Verdacht auf Autismus, was sich jedoch als Fehldiagnose herausgestellt hat. Währenddessen wurde aber bei Helen selbst Autismus diagnostiziert. Es ist nicht ungewöhnlich, dass dies bei Frauen selten bis gar nicht erkannt wird, denn die Erkrankung tritt bei Männern viermal häufiger auf als bei Frauen und äußert sich viel deutlicher bei der männlichen Bevölkerung. Somit konnte Helen all ihre Erfahrungen mit in dieses Buch einfließen lassen. Sehr beeindruckend!

Gerade Stellas analytisches Denken, ihre Unfähigkeit Gefühle bei Mitmenschen zu erkennen oder ihre soziale Inkompetenz zeigen, dass sie ganz anders ist andere. Auf den 416 Seiten des Buches erfährt der Leser durch gelungene Perpektivwechsel, wie sie ihre Umgebung wahrnimmt und was einen Menschen wie Michael dazu antreibt als Escort zu arbeiten. So unterschiedlich beide zu auch Beginn wirken, man merkt schnell, dass sie gerade deshalb perfekt zusammen passen.

«Du brauchst nicht zu fragen.» Sie war die Einzige, die das je tat. Vielleicht war er deshalb so verrückt nach ihr. «Ich habe die Erlaubnis, dich zu küssen, wann immer ich will?» Sie sah seinen Mund an, als wäre das, was er gesagt hatte, zu schön, um wahr zu sein.

«Ja.»

Sie drückte ihre Lippen auf seine und küsste ihn, als wäre er Sauerstoff und sie am Ersticken. S. 253

Mit viel Einfühlungsvermögen und Situationskomik gelingt es der Autorin, dass es nie langweilig wird. Dabei greift sie eigentlich nie in die Klischeekiste, was erfrischend schön war. Zwar spielt körperliche Anziehung eine große Rolle und wird in einigen Szenen auch sehr anschaulich dargestellt, der wesentliche Kern und ist bleibt aber das gegenseitige Verständnis für den anderen und Respekt. Es war schön zu sehen, wie beide Protagonisten von Szene zu Szene an den Geschehnissen wachsen stellt und das Ende ist mir auch ein wenig zu perfekt. Dafür gibt es aber lediglich einen kleinen Punkteabzug, denn mir hat besonders gefallen, dass das Buch auf eine sehr warmherzige Art und Weise zeigt, dass jeder Mensch zu seinen Macken und Unzulänglichkeiten stehen darf und sollte.

Fazit:

Kissing Lessons ist durchdacht, ehrlich und schmerzhaft romantisch - genauso sexy, wie es süß ist. Ich gebe dafür 4 1/2 Schmetterlinge.