Rezension

Gute Mütter, schlechte Mütter

Institut für gute Mütter -

Institut für gute Mütter
von Jessamine Chan

Bewertet mit 4 Sternen

Zweieinhalb Stunden vergessenes Pflichtbewusstsein sind entscheidend für das weitere Leben – ein Roman zwischen Utopie und Wirklichkeit.

Zweieinhalb Stunden waren für Frida entscheidend für ihr weiteres Leben. Das war genau die Zeit, in der sie ihr 20 Monate altes Mädchen alleine in der Wohnung zurück lies. Völlig überfordert und vom Schreien der Kleinen mit den Nerven am Ende wollte sie sich nur einen Kaffee holen, stieg aber dann in ihr Auto, fuhr davon und genoss die Stille. Als sie zurück kam, hatte ein Nachbar bereits die Polizei gerufen. Was dann folgte war ein Albtraum. Frida verlor das Sorgerecht für ihre Kleine und kam in ein Umerziehungs-Institut, um dort ein Jahr lang zu lernen und zu beweisen dass sie fähig ist, ihr Kind zu lieben und liebevoll  zu erziehen …   

Jessamine Chan ist eine US-amerikanische Schriftstellerin und Autorin chinesischer Abstammung. Sie wuchs in einem Vorort von Chicago auf, machte ihren Bachelor-Abschloss an der Brown University und ihren Master of Fine Arts an der Columbia University. Bereits 2014 begann sie mit dem Schreiben ihres Debütromans „The School for Good Mothers“, für dessen Fertigstellung sie 2017 das Literaturstipendium der Elizabeth George Foundation erhielt. 2022 erschien er in den USA und im März 2023 in Deutschland unter dem Titel „Institut für gute Mütter“.  Zu dem Roman wurde die Autorin nach eigenen Aussagen dadurch inspiriert, dass sie selbst im Zweifel war, ob sie ein Kind haben sollte oder nicht. Teile des Romans spielen in Philadelphia wo sie wohnte, bevor sie nach Chicago zog, wo sie heute mit ihrem Mann und ihrer Tochter lebt.  

Natürlich ist dieser Roman eine Dystopie, doch vieles ist von der Realität nicht weit entfernt. Dass in manchen Ländern Kinder den Eltern weggenommen werden und bei Adoptiveltern oder in Heimen aufwachsen, kann man ab und an in der Tageszeitung lesen, Besserungs- oder Erziehungsanstalten gab es früher auch bei uns und sind auch heute noch in einigen Staaten zu finden, Rassendiskriminierung ist leider immer noch weit verbreitet und das Thema KI (künstliche Intelligenz) ist ohnehin gerade aktuell. Dass das männliche Geschlecht auch heute noch gegenüber dem weiblichen bevorzugt behandelt wird zeigt sich darin, dass die Bestrafung für schlechte Väter (ja, auch die gibt es in der Geschichte) viel lockerer gehandhabt wird.

Obwohl die Fülle an Problemen durchaus zum Nachdenken anregt, konnte mich das Buch nicht wirklich packen. Leider konnte ich mich in Fridas Empfindungen nur bedingt einfühlen, zu seltsam fand ich ihr Benehmen. Für mich zeigt sie nicht wirklich Einsicht in ihr Fehlverhalten, sondern tut es ständig als „schlechten Tag“ ab. Ihre Versuche, ihre Liebe zu ihrem Kind zu beweisen, fühlen sich falsch an und anstatt Dankbarkeit für Susanna, der neuen Frau ihres Exmannes, die sich rührend und liebevoll um die kleine Harriet kümmert, zu zeigen, überschüttet sie diese gedanklich mit Hass- und Neidgefühlen. Eine Änderung ihres egoistischen Verhaltens ist bis zum Schluss, der mich übrigens ziemlich ratlos zurückgelassen hat, nicht zu spüren.  

Fazit: Eine interessante Leseerfahrung, die starke Nerven und einiges an Fantasie erfordert.