Rezension

schöne Heimkehr

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu -

Das Bücherschiff des Monsieur Perdu
von Nina George

Bewertet mit 4 Sternen

Liebe, Literaturund Lebensfreude

Mit großer Vorfreude ging ich erneut auf die Reise mit der „Pharmacie Littéraire“. Ich ging an Bord, ohne zu wissen, wohin das Schiff mich diesmal bringen würde und als was für ein Mensch ich am Ende ankommen würde. Meines Erachtens  ist es wirklich wichtig im Vorfeld „Das Lavendelzimmer“ gelesen zu haben. Es würde auch ohne gehen, doch befürchte ich, dass einem einiges im Bezug auf die Gefühls- und Gedankenwelt einiger Charaktere, sowie deren Handeln verborgen bleiben könnte.
Jean Perdu kehrt nach langer Zeit wieder auf sein Bücherschiff zurück. Es zieht ihn zurück zu seiner Berufung, Menschen in ihren jeweiligen Gemütszuständen, mit Hilfe literarischer Medizin, zu helfen. Er bietet quasi Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei heilt er nicht nur die Menschen, die von ihm angezogen werden, sondern auch sich selbst Stück für Stück.
 
Nina George besitzt einen einzigartigen poetischen und gefühlvollen Sprachstil, auf den man sich aber einlassen sollte, sich treiben lassen und nicht versuchen dagegen anzuschwimmen. Diese besondere Art der Komplexität ist nicht dafür gemacht nebenbei gelesen zu werden. Mal glitt ich auf den Wellen dahin und im nächsten Augenblick wurde ich zurückgeworfen, als würde mir der Mistral entgegen wehen und mich um mich selbst drehen lassen. Ich gebe zu, dass ich ein ums andere Mal meine Gedanken sortieren und einige Abschnitte erneut lesen musste.
Diese Geschichte spricht Gefühle und Gedanken an, die man zwar in sich spürte, aber nie klar benennen konnte. Gibt ihnen Namen und macht sie somit greifbar. Meine neuen Lieblingswörter habe ich hier auch gefunden…“Untiefe Gespräche, Ankermensch, wunderblind…“
 
Die Charaktere waren allesamt bunt und individuell wie das Leben selbst. Jeder von ihnen war auf seine unperfekte Art und Weise perfekt. All ihre Gedanken, Sorgen und Glücksmomente mitzuerleben, hat mich sehr bewegt.
 
Es geschieht vielleicht  nicht ganz so viel wie in der Vorgeschichte. Die Handlung ist dies Mal überschaubarer, doch muss ja nicht immer alles in große Ereignisse ausarten. Es geht mehr um die leisen Zwischentöne, die dich tief im Inneren berühren und in einem noch lange nach hallen. Genau in diesen Momenten wohnt ein Zauber inne, den man nur selten findet. Und auch, wenn ich mich dieses Mal nicht ganz so sanft auf den französischen Gewässern treiben lassen konnte, kam ich innerlich doch weiter, als zwischenzeitlich gedacht. Es war für mich eine Zeit der Selbstreflexion. Zum einen über meine eigene Beziehung zu Büchern, bei der die „Leseverfassung“ viel dazu beigetragen hat. Und umso mehr über die Bedeutung des Zwischenmenschlichen und die Magie der einzelnen Momente. Die Summe all dieser Augenblicke bzw. „Details“, verwoben aus Liebe, Genuss und besonderen Menschen, öffnen einem die Augen, für das was wirklich zählt. Dem Seelenglück.
 
Die „Große Enzyklopädie der kleinen Gefühle“ war etwas ganz Einmaliges für mich. Die Verbindung von Literatur und gewissen „Seelen-Maladien“, wurde durch diese einzigartige Sammlung noch einmal hervorgehoben. Jeder einzelne Eintrag passte ausgesprochen gut zum jeweiligen Kapitel. Dennoch brachte es mich, im Hinblick auf die Haupthandlung, stets aus dem Konzept. Wie das nervige Schleusen auf den Kanälen, hielt es mich davon ab, meine Reise ungestört fortzusetzten. Und genau dies war vielleicht auch der Faktor, weshalb ich mich diesmal nicht ganz so zu Hause gefühlt habe.
Dennoch ist es aufgrund seiner Seelenmomente, zu einem Wohlfühlbuch geworden.