Rezension

Bestätigt Niveau des Debüts

Lotusblut - Judith Winter

Lotusblut
von Judith Winter

Bewertet mit 4 Sternen

"Lotusblut" ist der zweite Fall für Mai Zhou und Emilia Capelli. Die beiden Ermittlerinnen werden zu einem Doppelmord gerufen. In einem Überwachungsvideo stellt sich heraus, dass das ermordete Ehepaar ein chinesisches Mädchen dabei hatte, das nun verschwunden ist. Die Suche nach dem Mädchen und die Suche nach dem Mörder wird intensiv voran getrieben, doch das BKA legt den beiden jungen Frauen immer wieder Steine in den Weg, so dass sie Grenzen überschreiten müssen, die ihre Karrieren gefährden könnten...

Gleich vorweg lässt sich sagen, dass "Lotusblut" ein wirklich schönes und passendes Cover hat. Der Nagel, der auch eine Blüte sein könnte, sticht sofort ins Auge. Zudem konnte ich feststellen, dass der Titel wesentlich besser auf den Fall passte, als der Vorgänger mit "Siebenschön". Auch sonst bin ich begeistert davon, dass "Lotusblut" sein Niveau absolut halten konnte.

Wie beim Vorgänger habe ich ein paar Punkte, die noch verbessert werden könnten. Während "Siebenschön" mit einem brutalen Fall aufwarten konnte, der spannend gestaltet war, war hier der Doppelmord und das verschwundene Mädchen etwas lahm. Dies fällt vor allem im Vergleich extrem auf. Natürlich war der Handlungsbogen spannend gestaltet, Langeweile kam nie auf. Aber hier hatte ich das Gefühl, dass mehr Wert auf die Konflikte zwischen Capelli und Zhou und dem BKA gelegt wurde, also auf die Ermittlungen selbst. Dadurch wirkte der ganze Fall etwas behäbig. Die absolute Spannung am Ende und der eine Überraschungsmoment am Ende war aber abermals hervorragend und hat definitiv am Ende des Thrillers ein Ausrufezeichen gesetzt.

Wesentlich besser hat mir diesmal das Zusammenspiel von Capelli und Zhou gefallen. Capelli wirkte in diesem Band wesentlich menschlicher, auch weil eine Episode ihrer Vergangenheit näher beleuchtet wurde (warum genau diese aber so eng mit den Ermittlungen verknüpft wurden hat sich mir nicht ergeben). Zhou gefällt mir nach wie vor besser, auch weil sie durch das chinesische Mädchen an ihre eigene Genetik erinnert wird und man mit ihr mitfühlen kann, wie sich zwischen dem Herkunftsland ihrer Eltern und ihrem Heimatort hin und her gerissen fühlt. Nachdem der letzte Band ziemlich willkürlich eine Einigkeit zwischen Capelli und Zhou hergestellt hat, wurde diese gleich am Anfang wieder ausgeheblt. Storytechnisch etwas unprofessionell, aber andererseits gab das wieder Raum, die Beziehung zwischen den beiden langsam aufzubauen. Diese Aufgabe wird auch gut erfüllt dadurch, dass beide Ermittlerinnen in gleichen Umfang Kapitel erhalten, die ihre jeweilige Innenperspektive durchleuchtet. Beide sind in der beruflichen Beziehung gleichberechtigt (auch wenn Em das wahrscheinlich anders sehen würde) und beiden haben ihren Anteil am Ermittlungserfolg. Jede spielt dabei ihre Stärken aus, beide sind mutig, so dass man ihnen die toughe Ermittlerin gut abkaufen kann. Dieser Aspekt überzeugt bis hierher wirklich sehr und ich bin sehr daran interessiert ihre Entwicklung weiterzuverfolgen. Das bedeutet, dass ich ingesamt wirklich sehr zufrieden bin mit "Lotusblut" und ich bin erleichtert, dass Judith Winter ihr starkes Debüt bestätigen konnte. Wenn jetzt noch Spannung des Falls und Entwicklung der Ermittlerinnen im gleichen Maße Spitzeniveau erreichen, dann werde ich restlos überzeugt sein!