Rezension

Gelungenes Jugendbuchdebüt mit kleinen Schwächen

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
von Elizabeth Laban

Zum Inhalt:

Tim ist daran gewöhnt, schief angeschaut oder gar beleidigt zu werden, denn Tim ist ein Albino. Und er wird das letzte Schuljahr an der Irving High School, einem renommierten Internat in New York, verbringen. Er verliebt sich in seine Mitschülerin Vanessa, die trotz seines Aussehens scheinbar auch Sympathien für ihn entwickelt. Wenn sie doch nur nicht mit dem beliebten Patrick zusammen wäre...

Ein Schuljahr später: Duncan bezieht Tims altes Zimmer im Internat. Dort findet er von Tim besprochene CDs, die nur für ihn bestimmt sind. Denn auch wenn Tim und Duncan kaum etwas miteinander zu tun hatten, verbindet sie ein tragisches Ereignis, das vor einem halben Jahr geschah...

Meine Meinung:

Die Geschichte springt auf zwei Erzählebenen zwischen Gegenwart (= Duncans letztes Schuljahr) und Vergangenheit (= Tims letztes Schuljahr) hin und her, wobei Tims Erzählungen hier definitiv den Mittelpunkt bilden. Genauso wie Duncan möchte man als Leser die CDs am liebsten in einem Rutsch durchhören, um endlich zu erfahren, was mit Tim und Vanessa geschah. Dadurch fühlten sich die sowieso nicht sonderlich spannenden Ereignisse in Duncans Schuljahr eher wie "Werbepausen" an, bei denen man hoffte, dass es nun endlich wieder mit Tims Geschichte weitergeht.

Es gibt ständig Hinweise auf das Ereignis, das Duncan und Tim verbindet. Ich wurde jedoch nicht schlau daraus und habe bis zum Schluss nicht geahnt, was genau passiert ist. Irgendwann haben mich die ständigen Hinweise auch ein bisschen genervt, da so oft darauf herumgeritten wurde, aber die Auflösung erst am Schluss kam. Ich hatte es mir zudem ehrlich gesagt tragischer vorgestellt, als es dann war, wenngleich es für die Beteiligten natürlich schon recht schlimm war.

In beiden Handlungssträngen schwebt über den Köpfen der Schüler die Abschlussarbeit im Fach Englisch wie ein Damoklesschwert: Jedes Jahr müssen die Senior-Schüler einen Aufsatz über das Thema "Tragödie" verfassen. Sowohl Tim als auch Duncan beschäftigen sich intensiv damit, und die Merkmale einer Tragödie wirken sich immer mehr auf ihr Handeln und Denken aus.

Neben Duncan und Tim spielt Vanessa noch eine große Rolle in der Geschichte. Ich mochte sie nicht sonderlich, aber das ist Geschmackssache. Sie ist schon nett und entwickelt tiefe Gefühle für Tim ganz unabhängig von seinem Äußeren. Andererseits bleibt sie weiterhin mit dem ätzenden Patrick zusammen, küsst ihn und hält Händchen mit ihm vor Tims Augen. Nicht gerade ein schöner Charakterzug von ihr... Im Endeffekt hatte ich das Gefühl, dass Tim sich in Vanessa verliebt, weil sie das erste Mädchen ist, das mit ihm - anfänglich gezwungenermaßen, dann freiwillig - abhängt und ihn so akzeptiert, wie er ist. Allerdings sind die neuen Mitschüler fast alle sehr nett zu Tim, etwas, das er sich bis dahin immer gewünscht hatte, das ihm dann aber völlig egal ist, weil er nur noch Augen für Vanessa hat. Das fand ich wirklich sehr schade.

Weitere Nebencharaktere, die eine größere Rolle spielen, sind Daisy, Duncans Schwarm, der Englisch-Lehrer Mr. Simon, der mit seinem Tragödienaufsatz alle Schüler stresst, aber ein wirklich guter Pädagoge ist, sowie Patrick, Vanessas Freund, bei dem man sich nie sicher sein kann, ob er wirklich ernsthaft mit Tim befreundet sein möchte oder nur mit ihm spielt.

Der Sprachstil ist jugendgerecht und flüssig zu lesen. Ich persönlich empfand manche Stellen als zäh und unnötig in die Länge gezogen, aber das liegt sicherlich auch daran, dass "So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" ein eher ruhiges Buch ist, das ohne Action auskommt. Auch wenn Elizabeth LaBans Jugendbuchdebüt ein paar kleine Schwächen hat, ist es ihr auf jeden Fall gelungen.