Rezension

Grandios, aber am Ende doch zu wenig

So wüst und schön sah ich noch keinen Tag
von Elizabeth Laban

Bewertet mit 4 Sternen

"So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" handelt von Duncan, der sein Senior-Jahr am renomierten Irving-College antritt. Dort ist es Tradition, dass der Abschlussjahrgang seinen Nachfolgern ein Geschenk im Zimmer überlässt. Duncan erhält besprochene CDs von Tim, mit dem er durch ein tragisches Erlebnis im letzten Schuljahr verbunden ist. Zunächst verweigert er sich Tim und seiner Erzählung. Aber einmal reingehört kann sich Duncan der tragischen Liebesgeschichte zwischen dem Albino-Jungen Tim, der zeitlebens ein Außenseiter war, und der beliebten Vanessa nicht mehr entziehen.

Die ganze Grundidee fand ich einfach lesenswert. Ein Jugendbuch, das Liebe und Spannung verspricht, denn man will einfach nur wissen, wie Tim und Duncan miteinander verbunden sind. Dazu dieser mitreißende und mitfühlende Erzählstil, der sich in der Leseprobe andeutete. Vieles, was ich mir versprochen habe, konnte die Erzählung einhalten und am Ende hat mir doch das gewisse Etwas gefehlt, was ich im Weiteren gerne erklären würde.

Wir haben gleich zwei Protagonisten. Zwei Jungs, die sich glaube ich gar nicht so sehr voneinander unterscheiden, zu denen man dennoch sehr unterschiedlich Zugang findet. Das mag zum einen an den Erzählperspektiven liegen (Tim ist der Ich-Erzähler, Duncan versehen mit dem personalen Erzählstil), aber ich glaube, dass auch die Tatsache, wie sie sich öffnen den Unterschied ausmacht. Tim legt seine ganze Persönlichkeit auf den besprochenen CDs offen. Man ist sofort in seiner Gefühlswelt gefangen, man leidet mit ihm, man freut sich mit ihm und fiebert irgendwann nur noch mit, dass er doch endlich sein Happy End erhält. Duncan ist dagegegn zugeknöpfter, er erhält gerade in der ersten Hälfte des Romans sehr wenig Erzählzeit. Zum Teil werden nur wenige Zeilen eingefügt à la Duncan muss zum Abendessen, aber er will unbedingt weiterhören und schon ist man wieder ausschließlich mit Tim verknüpft. Duncan kommt wirklich zu kurz, so dass es schon fast überraschend kommt, als er plötzlich doch aktiv wird und genau dann zeigt sich, dass Tim und Duncan vom selben Schlag sind und dass letzterer somit eindeutig zu Unrecht von der Autorin vernachlässigt wurde.

Den Erzählstil will ich aber gar nicht kritisieren. Ich fand ihn so bedeutend, weil er der Geschichte einen Spannungsbogen gegeben hat, den man als Leser unbedingt für sich auflösen wollte. Zudem war eben so die intensive Verbindung zu Tim möglich.

Kritikwürdig sehe ich dann wieder eher wie die Auflösung des Spannungsbogens gestaltet wurde. Man ahnt die ganze Zeit, dass etwas schlimmes passiert und man fiebert der Auflösung entgegen und als sie dann erfolgt, empfand ich es persönlich als zu wenig. Auf Grund von Spoilergefahr kann ich dies nicht weiter ausführen, aber ich blieb etwas enttäuscht zurück. Zudem gipfelt das ganze in einem Ende mit lauter offenen Handlungssträngen. Ich weiß, dass Autoren da gerne mit spielen, aber ich empfinde, dass (gerade bei so einer Geschichte, wo man sich für Tim ja nur das Happy End ersehnt) das absolut unbefriedegend ist. Ich will Antworten!

Dafür will ich aber noch hervorheben, dass ich es als wunderbar empfand, wie die Erzählung und der Aufsatz über die Tragödien (der ja sowohl Tim als auch Duncan betrifft) miteinander verwoben wurden, spitze gemacht! Und Kompliment an den Verlag für dieses tolle Cover, das die Handlung und das damit trabsportierte Gefühl wunderbar einfängt!

Fazit: "So wüst und schön sah ich noch keinen Tag" ist eine grandiose Erzählung. Dies liegt am Erzählstil, das liegt an dem offensichtlich sehr gut durchdachten Plot und der intensiven Beziehung, die man zumindest zu einem Protagonisten direkt aufbaut. Duncan erfolgt mir persönlich zu spät, er ist irgendwie der Held, der untergeht in der Erzählung. Und die Auflösung ist mir persönlich zu schwach, dazu die offenen Fragen. Das Jugendbuch weiß über weit mehr als die Hälfte zu überzeugen, aber das Ende bleibt etwas schwach.