Rezension

Wenn man vor lauter Sturm den eigenen Halt verliert...

Windstärke 17 -

Windstärke 17
von Caroline Wahl

Bewertet mit 4 Sternen

Klappentext:

„Ida hat nichts bei sich außer dem alten, verschrammten Hartschalenkoffer ihrer Mutter, ein paar Lieblingsklamotten und ihrem MacBook, als sie ihr Zuhause verlässt. Es ist wahrscheinlich ein Abschied für immer von der Kleinstadt, in der sie ihr ganzes bisheriges Leben verbracht hat. Im Abschiednehmen ist Ida richtig schlecht; sie hat es vor zwei Monaten nicht einmal auf die Beerdigung ihrer Mutter geschafft. Am Bahnhof sucht sie sich den Zug aus, der am weitesten wegfährt – auf keinen Fall will sie zu ihrer Schwester Tilda nach Hamburg –, und landet auf Rügen. Ohne Plan, nur mit einem großen Klumpen aus Wut, Trauer und Schuld im Bauch, streift sie über die Ostseeinsel. Und trifft schließlich auf Knut, den örtlichen Kneipenbesitzer, und seine Frau Marianne, die Ida kurzerhand bei sich aufnehmen. Zu dritt frühstücken sie jeden Morgen Aufbackbrötchen, den Tag verbringt Ida dann mit Marianne, sie walken gemeinsam durch den Wald oder spielen Skip-Bo, abends arbeitet Ida mit Knut in der »Robbe«. Und sie lernt Leif kennen, der ähnlich versehrt ist wie sie. Auf einmal ist alles ein bisschen leichter, erträglicher in Idas Leben. Bis ihre Welt kurz darauf wieder aus den Angeln gehoben wird.“

 

Da mir das Debüt von Caroline Wahl extrem gut gefallen hat, war die Neugier auf ihren Neuling sehr groß. Wahls Geschichte rund um die innerlich zerbrochene Ida nimmt einen gefangen, ja, aber es braucht dazu etwas Zeit. Man muss die Person erstmal kennenlernen, sie verstehen und muss sich als Leser an sie herantasten. Ist doch ihre Art und Weise gerade zu Beginn recht befremdlich. Als Ida dann aber erzählt wie es zu allem kam, beginnt natürlich das eigene Gedankenkino. Man kann Idas Flucht irgendwie verstehen aber ist Flucht immer der richtige Weg? Ist das nicht zu egoistisch? Ist das der Retter für alle Probleme? Vielleicht für einen gewissen Moment aber nicht auf Dauer. Caroline Wahl erzählt uns in Idas Geschichte viel von Trauer, von Angst, Selbstzweifeln. Ida ist gebrochen. Das hat alles einen Hintergrund und durch Leif lernt sie auf Rügen auch noch andere gebrochene Menschen kennen. Der Spruch „Damit bist du nicht allein!“ mag oft abgedroschen klingen, zeigt aber auch dem Menschen auf, dass man eben nicht allein ist. Das Leben spielt nicht immer nach Plan und es gibt immer wieder Aufs und Abs mit denen wir umgehen müssen und es lernen müssen diese zu verstehen. Caroline Wahl geht hier etwas anders vor als in „22 Bahnen“. Idas Geschichte hat viele philosophische Züge und ist nahe am Realismus gebaut, dennoch gab es Parts die ich nicht ganz verstanden habe, da diese doch recht plump eingebaut wurden. Gerade der Tot der eigenen Mutter zwingt einem dazu sich damit auseinanderzusetzen. Als Kind hat man gewisse Pflichten seinen Eltern gegenüber besonders wenn sie versterben, egal ob man will oder nicht. Diesen Part empfand ich als zu dünn und zu unausgegoren. Idas Weg wiederum bin ich gerne gefolgt. Ich verstand ihre Wut, ihren Zorn und ihre Gedanken dazu. Wie sich dann Idas Weg weitergestaltet war ebenfalls gekonnt von Wahl ausgelegt. Ihr Sprachstil formt eine gelungene und realistische Geschichte die tief zu Herzen geht. Die Zweideutigkeit der Worte, der Situationen und auch die hier und da eingestreuten Metaphern waren mehr als gelungen. Windstärke 17 gibt es nicht. Bislang zumindest noch nicht. Dennoch knallt einem manchmal ein Sturm im Leben ins Gesicht, der einen umhaut und man meint nicht wieder aufstehen zu können. Genau so zeigt sich hier Ida. Nur jeder Sturm geht auch mal vorbei. Jeder Sturm verliert irgendwann an Kraft und danach kehrt eine gewisse Stille ein. Wie diese bei Ida aussieht müssen Sie schon selbst erlesen. Von mir erhält diese Geschichte jedenfalls 4 sehr gute Sterne und eine Leseempfehlung!