Rezension

Außen hui, innen… kann man getrost vergessen

Untreue
von Paulo Coelho

Bewertet mit 0.5 Sternen

Auf glaubhafte, spannende Figuren, eine packende Handlung und Erzählweise habe ich vergeblich gewartet. Stattdessen gab es an mehreren Stellen seitenweise fade Belehrungen mit gehobenem Finger. Vor meinem inneren Auge tauchte ein Bild eines Predigers auf, der von der Kanzel seine Ideen unters Volk bringen will. Deshalb 1 von 5 möglichen Sternen und nie wieder ein Coelho. Garantiert.

Einige Zeilen zum Äußeren:

Das Buch auch sich ist wirklich gut gemacht. Es ist schon ein Erlebnis, ein Schmuckstück. Wunderbar leicht, angenehme Haptik des Umschlages und der Seiten tragen dazu bei, dass man das Buch gar nicht aus der Hand legen möchte. Die Schriftgröße ist gut getroffen, eine Seite enthält nicht zu viel und nicht zu wenig Text. Einige Kapitel sind manchmal nur 1,5 Seiten lang, als ob sie an die Abstände zwischen zwei kurzen U-Bahn Stationen angepasst wären. Etwas fehlte mir bei all dieser Perfektion: ein Lesezeichen. Das dünne Booklet, das die früheren Werke des Autors anpreist, wollte ich für diesen Zweck nicht verwenden. Aber insgesamt ist die Gestaltung des Buches gut gelungen. Recht lesefreundlich gestaltet, eignet es sich gut als Geschenk, wenn der Beschenkte ein ausgemachter Fan von Coelho ist.

Zum Inhalt:
Es ist eine Ich-Erzählung in Präsens. Die Form passt gut zum Inhalt. Anfangs verschafft dieser Erzählstil gewisse Nähe zum Leser, stellt Vertraulichkeit her, denn so ähnelt dieser Monolog einer Beichte. Die Sprache ist einfach und klar.
Eine 31-Jährige Genferin, Linda, erzählt über sich. Es mangele ihr an materiellen Dingen nicht, einen angesehenen Job, einen wohlhabenden Mann und reizende Kinder hat sich auch, aber sie vermisst etwas Grundliegendes in ihrem Leben und schlittert in eine handfeste Depression, aus der sie keinen Ausweg findet. Im Wesentlichen geht es das ganze Buch lang um den Weg daraus.
Spätestens nach hundert Seiten fällt die Ich-Form auf den Geist und man fängt an sich arg zu langweilen. Die Handlung plätschert immer weiter dahin. Mit der Figur kann man auch nicht warm werden, denn sie erinnert an eine nervige Bekannte, die ständig und in epischer Breite über ihre Probleme berichtet und ihren negativen Gemütszustand auf einen ablädt.
Es gibt durchaus gute Ideen, einige tiefschürfende Gedanken, der Autor wirft wichtige Fragen in die Runde ein – das Ganze als Lindas Gedanken, denn sie versucht der Depression zu entkommen, versucht sich zu erklären, wie sie dorthin kommt, sie will ja letztendlich eine Lösung finden. Sie fängt eine Affäre an, redet sich ein, sie wäre verliebt, lässt sich von ihm erniedrigen, das alles bringt sie aber auch nicht weiter. Sie besorgt sich Drogen und versucht sie der Frau des Geliebte unterzujubeln. Sie geht zu den Psychotherapeuten, spricht sogar mit einem kubanischen Schamanen, der eher grotesk, wie die Therapeuten auch, daherkommt.
Am Ende findet sie schon eine Erlösung. Diese kommt aber reichlich a lá deus ex machina, also völlig aus der Luft gegriffen.
Das ist mein erstes und auch letztes Coelho Buch. Ich lese gerne etwas Neues von den Autoren, die ich noch nicht kenne. In dem Fall blieb mir absolut unklar, weshalb er als Bestsellerautor gefeiert wird, vermutlich gnadenlos gehyped. In meinen Augen hat er als Erzähler auf der ganzen Linie versagt. Auf glaubhafte, spannende Figuren, eine packende Handlung und Erzählweise habe ich vergeblich gewartet. Stattdessen gab es an mehreren Stellen seitenweise fade Belehrungen mit gehobenem Finger. Vor meinem inneren Auge tauchte ein Bild eines Predigers auf, der von der Kanzel seine Ideen unters Volk bringen will. Deshalb 1 von 5 möglichen Sternen und nie wieder ein Coelho. Garantiert.