Rezension

Briefe auf Butterbrotpapier

Die Butterbrotbriefe -

Die Butterbrotbriefe
von Carsten Henn

Bewertet mit 4 Sternen

Kati hört die seelenlosen Worte, die hohlen Phrasen bei der Beerdigung ihrer Mutter. Beschweren will sie sich beim Priester, aber telefonisch wird das eher nichts, die Worte wollen sorgfältig gewählt sein und so beschließt sie, dies brieflich zu erledigen. Ihr Vater hat vor langer Zeit Butterbrotpapier gesammelt, er hat dabei an Bastelarbeiten gedacht und doch lädt der ganze Stapel Kati direkt dazu ein, hierauf Briefe zu schreiben, denn der leichte Glanz des Butterbrotpapiers verleiht den Worten einen besonderen Schimmer. So fängt alles an, denn Kati hat beschlossen, allen hier „lebe wohl“ zu sagen. An die dreißig Briefe sollen es werden, dreißig Mal spürt sie ihr Herz bis zum Halse klopfen.

Diese anrührende Geschichte, Katis Geschichte, hat mir Steffen Groth näher gebracht. Das ungekürzte Hörbuch über 6 Stunden und 34 Minuten waren genussvolle, sehr intensive Hörstunden. So einiges erfahre ich aus Katis Leben. Sie, die in der Stadtverwaltung arbeitet, aber viel lieber Friseurin wäre, lebt zumindest am Wochenende ihren Traum, indem sie kostenlos Haare schneidet. Und so lernt sie auch Severin kennen…

Zuweilen kommt mir Katis Welt direkt märchenhaft vor. Märchen im Sinne von nicht ganz echt, ein wenig träumerisch. Und doch haben die Figuren Ecken und Kanten, sie haben Fehler gemacht, mussten viel einstecken, sind eklig oder liebenswürdig, ein Querschnitt direkt aus dem Leben gegriffen - so wie die lieben Mitmenschen eben sind.

Das Besondere an Katis Briefen ist, dass sie diese selbst überbringt und nicht nur das, sie liest ihre Briefe auch dem Empfänger vor. Sie rechnet ab, nimmt Abschied von der Vergangenheit, schreibt an diejenigen, die ihr nichts Gutes wollten, lässt all die Begebenheiten nochmal Revue passieren, endet mit „leben Sie wohl.“ Aber natürlich denkt sie auch an die anderen, die ihr wohlgesonnen waren. Katis Briefe sind wütend und liebenswürdig, sie sind traurig und lebensfroh, aber immer sind sie ehrlich. Am Ende schreibt sie den wichtigsten Brief, den Brief an sich selbst. Denn irgendwann erkennt sie, dass sie sich selbst annehmen, sich selbst lieben muss.

Ein Buch, das berührt. Wer einen Brief schreibt, nimmt sich Zeit. Zeit, um an den Menschen zu denken, für den er gedacht ist. Man sollte viel öfter handschriftlich verfasste Briefe schreiben.