Rezension

Eine etwas andere Geschichte darüber, wie man das Leben in die Hand nimmt

Die Butterbrotbriefe -

Die Butterbrotbriefe
von Carsten Henn

Bewertet mit 5 Sternen

So viele Emotionen von lustig bis zu tief traurig – grandios, besonders als Hörbuch

Gibt es Schicksal oder hat man doch letztendlich alles im Leben selbst in der Hand? Diese Frage beantwortet sich Kati Waldstein mit einem klaren nein und nimmt mit fast 40 Jahren einen neuen Anlauf für das Leben. Um aber mit ihrem bisherigen Leben und allen Erlebnissen abzuschließen, beginnt sie nach dem Tod ihrer Mutter mit dem Schreiben von Briefen. Doch nicht etwa an einen Brieffreund, sondern an Menschen in ihrem Leben, die ihren Weg geprägt haben. Damit sie sicher sein kann, dass sie ihr Ziel nicht verfehlen und sie danach die Chance hat, abzuschließen, überbringt und verliest sie die Briefe bei den Adressaten selbst. Sie verfolgt das klare Ziel, ihren Heimatort nach diesen genau 37 Briefen zu verlassen und woanders neu anzufangen.

Als aber auf einmal Severin in ihrem Leben auftaucht, der sich selbst mit einem Leben auf der Straße für ein von ihm verschuldetes Unglück bestraft, wendet sich das Blatt. Nicht nur, dass das Briefe-Schreiben stockt. Nein, Kati kommt durch Severin erst richtig zum Leben und findet dabei immer mehr über sich und ihre Familie heraus, das alles verändert. Und auch wenn die erste Begegnung zwischen Kati und Severin mehr als skurril und teilweise auch beängstigend ist, nähern die beiden sich immer mehr an. Bis sogar eine zarte Liebe zwischen ihnen entsteht.

Das Besondere an diesem Roman war für mich Kati. Sie ist so sehr in ihrem Leben gefangen und wirkt dabei total unbeholfen und eingefahren. Dieses Briefeschreiben und auch Vorlesen, mutet dagegen eher skurril und lustig an. Besonders die Reaktionen der Empfänger darauf reichen von schockiert bis erfreut hinzu tief berührt. Da ich das Hörbuch gehört habe, kam ich hier in den Genuss von Steffen Groths Imitation der Stimmen und war wirklich begeistert. Als Kati dann beginnt immer mehr über ihr bisheriges Leben und ihre Familie herauszufinden, steigen sowohl die Spannung als auch das Mitgefühl für sie, sodass ich mir nur noch gewünscht habe, dass sie nun glücklich werden kann. Und so ging es mir auch bei Severin: Ihn fand ich zwar anfangs gruselig, aber am Ende hätte ich ihn am liebsten einfach in den Arm genommen, um ihm Glück für die Zukunft zu wünschen. Die beiden Protagonisten sind so nahbar dargestellt und man begleitet sie richtig in ihrer Entwicklung, sodass es einem vorkommt, als würde man sie schon ewig kennen. Die Nebenfiguren sind dagegen nicht immer ganz ernsthaft dargestellt, sondern sorgen für die Prise Lachen zwischendurch. Diese Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Skurrilität ist wirklich gut gelungen.

Insgesamt besticht dieses Buch beziehungsweise auch das Hörbuch durch seine Bandbreite an Gefühlen, die wirklich echt und zum Nachempfinden transportiert werden. Und natürlich auch durch die gute Geschichte, die zwar im Hauptstrang sehr realistisch, aber in den Nebenszenen und Nebenfiguren eher humoristisch ist, wirken diese Emotionen so gut. Als Leser ist man nicht nur stiller Zuschauer, sondern fühlt mittendrin in der Geschichte.

Wer sich auf die Mischung aus lustig und ernst einlassen kann, wird hier viel Freude haben.