Rezension

Ein unerwartetes Highlight

Gated - Die letzten 12 Tage - Amy Christine Parker

Gated - Die letzten 12 Tage
von Amy Christine Parker

Ich muss gestehen, dass ich dieses Buch mehrmals in der Hand hatte, bis es mich angesprochen hat und ich bin sehr froh, dass ich es doch noch gelesen habe. Einbißchen lag es auch am Cover, da ich es von den Farben und dem Motiv sehr passend für den Herbst fand.

Der Leser platzt sozusagen mitten in ein Schießtraining hinein und lernt direkt die Protagonistin Lyla kennen, sowie ihre Freunde Will, Brian und Marie. Die Gemeinde besteht schon seit 10 Jahren und laut Pioneer steht der Weltuntergang kurz bevor. Lyla ist eher zurückhaltend und hat ein sehr sanftes Wesen, weshalb ihr schon allein das Schießen auf Pappfiguren schwer fällt. Von ihr erfährt der Leser zu Anfang, wie ihre Familie von Pioneer "gefunden" wurde und wieso sie sich der Gemeinde angeschlossen haben. Auch einen kurzen Überblick über die Gemeinde, die Wohnhäuser, Ställe, Felder und natürlich dem Silo, bekommt man.

Amy Parker lässt Lyla ihre Geschichte im Präsenz erzählen, wodurch ich wieder richtig mitfiebern konnte. Es hat eine lockere und einfache Sprache, wie es für Jugendbücher typisch ist. Ich konnte mich schnell auf die Charaktere und die Umgebung einstellen und legte das Buch nur ungern aus der Hand. Die Autorin gab bei jedem neuen Kapitel eine von Pioneers "Weisheiten" zum Besten, aber auch Zitate von echten Sektenführern, wie Jim Jones von den Peoples Temple. Mir hat es sehr gut gefallen und gab noch weitere Einblicke in das Denken von Pioneer frei.

Lyla ist eher die stille Beobachterin und gilt als das schwächste Glied in der Gemeinde. Schon bevor sie Cody trifft hat sie Zweifel an Pioneer und der Gemeinde. Sie glaubt jedoch, dass mit ihr etwas nicht stimmen würde und versucht krampfhaft sich anzupassen und nicht aus der Reihe zu tanzen. Sie möchte besonders ihren Eltern keinen Anlass geben sich Sorgen zu machen oder enttäuscht zu sein. Ihr innerer Konflikt, ob etwas mit ihr nicht stimmt oder ob Pioneer sich nicht vielleicht irrt mit allem, zerreißt sie und wird sehr eindrücklich beschrieben.

Ihre Mutter vergöttert Pioneer regelrecht und würde niemals sein Wissen anzweifeln, während ihr Vater einfach nur versucht für seine Frau da zu sein und seine Familie zu beschützen. Allgemein hat man den Eindruck, dass die Gemeindemitglieder weder selbstständig denken, noch eigenständig Entscheidungen treffen, sondern jegliche Verantwortung in Pioneers Hände gelegt haben und nie ein seiner Entscheidungen anzweifeln, sondern alles was er von sich gibt für bare Münze nehmen.

Pioneer ist ein Fanatiker, der die Gemeinde mit eiserner Hand führt und keinen Widerspruch duldet. Regelverstöße werden brutal bestraft und es wird kein Unterschied zwischen den Jugendlichen und den Erwachsenen gemacht. Er verbietet den Kontakt zu Außenstehenden und projiziert ein Bild des Schreckens. Da die Gemeinde fast autark lebt, ist ihr Kontakt zur Außenwelt auf ein Minimum beschränkt und der Zugang zu Nachrichten ist ihnen verwehrt.

Durch Cody lernt Lyla allerdings ein anderes Bild der Außenwelt kennen und kann sich einfach nicht vorstellen, dass an Cody irgendetwas böse sein soll. Nach anfänglichem Zögern erkennt Lyla die Wahrheit und will ihren Eltern und dem Rest der Gemeinde die Augen öffnen. Doch Pioneer lässt sie nicht ungeschoren davon kommen. 

Obwohl es einen zweiten Band gibt, ist die Handlung in sich abgeschlossen und keine Fragen sind offen geblieben. Ob es ein Happy End gab oder nicht werde ich hier natürlich nicht verraten.

Mit dem Thema Sekte habe ich mich vorher noch nie intensiv beschäftigt, fand es jedoch schon immer interessant. Ich finde die Geschichte erschreckend realistisch geschildert, da es einige Parallelen zu echten Sekten gab (Peoples Temple, Branch Davidians und Scientology). Mich hat es von der ersten Seite an gefesselt und war bis zum Schluss hoch spannend. Ich fand Lyla sehr sympathisch und konnte mich sehr gut mit ihr identifizieren.