Rezension

Spannend

Gated - Die letzten 12 Tage - Amy Christine Parker

Gated - Die letzten 12 Tage
von Amy Christine Parker

Bewertet mit 4 Sternen

Der erste Satz:
"Diesmal schießt du, um zu töten, okay?"

Meine Meinung:
Inhalt
Nachdem Lylas kleine Schwester am helllichten Tag verschwand, ist sie zusammen mit ihren Eltern natürlich total erschüttert. Schon bald werden die Ermittlungen in dem Fall eingestellt. Sehr zum Ärger der Angehörigen. Besonders Lylas Mutter kommt nur schwer wieder in die richtige Spur und nimmt jede Hilfe an, die ihr angeboten wird. Da kommt Pioneer gerade Recht. Er bietet ihnen Unterschlupf an und führt sie in seine Welt ein. Er ist der "Auserwählte", der von den "Brüdern" gesagt bekommen hat, die Welt wird bald untergehen. Lylas Familie ergreift Pioneers Hand und findet sich schon bald in einer kleinen Gemeinschaft wieder, die sehr zurück gezogen leben und in der nur Pioneers Regeln zählen...

"Von jetzt an schieße ich richtig." [...] Ich bin kein kleines Kind mehr. Ich kann nicht einfach ausblenden, was geschieht. Es ist Zeit, erwachsen zu werden.
Zitat aus "Gated #1"

Charaktere
Lyla glaubt stets an das Gute im Menschen. Ihr kann man alles erzählen, sie ist ein Mensch, der alles glaubt. Diese Art, die die Protagonistin an den Tag legt, macht sie auf der einen Seite sympathisch, auf der anderen Seite kann diese naive Art allerdings auch sehr störend sein.
Pioneer ist sehr von sich selbst überzeugt. Stellenweise habe ich daran gedacht, dass er die Einwohner seiner Gemeinschaft als seine "Schäfchen" bezeichnet, die ihm alle unterstellt sind. Was er sagt, ist Gesetz, sträubt sich jemand gegen seine Regeln, wird dieser hart bestraft. Das mir dieser Mensch sehr auf die Nerven ging, muss ich an dieser Stelle wohl nicht hinzufügen, oder?

Wir fingen an, mit gestrafften Schultern und einem geheimnisvollen Lächeln durch die Siedlung zu laufen. Wir waren etwas Besonderes. Wir waren auserwählt. Wir würden die Überlebenden sein.
Zitat aus "Gated #1"

Gesamt
Das Buch braucht eine Weile, bis es richtig an Fahrt aufnimmt. In der Zeit ist es jedoch keinesfalls langweilig. Man lernt Lyla so wie ihre Familie und die ganzen Hintergründe kennen. Man bewegt sich mit der Protagonistin ein bisschen in deren Vergangenheit und weiß schon schnell, wie das Mädchen tickt. Sie hat eine handvoll Freunde an ihrer Seite und sogar noch einen Jungen, dem sie "versprochen" ist. Alles könnte so schön sein, doch dann taucht plötzlich Cody auf und bringt alles total durcheinander...
Bis zu dieser Stelle und auch noch ein Stückchen weiter ist Lyla die Naivität in Person. Sie ging mir zusehends auf die Nerven, weil sie einfach alles geglaubt und alles abgefeiert hat, was Pioneer ihr weis machen wollte. An mehreren Stellen habe ich mir an den Kopf gefasst, weil ich es nicht fassen konnte, wie leicht man der Protagonistin etwas vormachen kann. Nie hinterfragt sie etwas, was er von sich gibt. Nie bäumt sie sich in irgendeiner Weise gegen seine mehr als nur fragwürdigen Handlungen auf. Es war zunehmend ermüdend Lyla als Person zu ertragen.
Doch irgendwann kommt die Wende und sie macht endlich was. Endlich geht ihr Gedankenkarussell mal los und sie lobt Pioneer nicht mehr in den Himmel. Ab dem Moment wurde sie mir regelrecht sympathisch, weil sie gezeigt hat, was in ihr steckt. Die Wandlung hat mir überaus gut gefallen, weil sie Stück für Stück vonstatten ging und nicht holterdiepolter.
Das Setting hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Ich konnte förmlich das Dorf mit dem Silo vor Augen sehen.
Amy Christine Parker schreibt sehr spannend und bewegt sich stets bei einem sehr hohem Tempo. Es hat mir Freude bereitet, dass ich selbst die Stellen, in denen im Grunde genommen nicht wirklich viel passierte, als überhaupt nicht langatmig empfunden habe. Langeweile gibt es bei "Gated #1" nicht. Auch wenn die Geschichte an sich ein bisschen auf der Stelle tritt, gibt es dennoch jede Menge zu entdecken. Sei es die Vergangenheit von Lyla und deren schrecklichen Schicksalsschlag, sei es das Gefühlsleben der Mutter, was ich als äußerst bedenklich gesehen habe. Gerade letzteres gefiel mir außerordentlich gut: Auch die Nebencharaktere kommen keinesfalls zu kurz. Sie haben genug Farbe und wurden mit so viel Leben gezeichnet, dass man sie sich gut vorstellen und sich gut in sie hineinversetzen konnte.
Gerade Pioneer ist wirklich excellent getroffen worden. Wie Seite um Seite immer mehr von seiner Persönlichkeit zum Vorschein kommt, bis man schließlich sein wahres Ich vor Augen hat, hat die Autorin gut gemeistert.
Die Geschichte an sich hat mich ein bisschen an "Die Welle" erinnert. Ein "Anführer", der seinen Schäfchen was weiß ich erzählt, doch niemand stellt dessen Gesagtes jemals in Frage. Selbst wenn harte Fakten auf den Tisch kommen, wird der Anführer immer noch in den Himmel gelobt. Diese Thematik ist meiner Meinung nach immer up to date und regt einfach zum Nachdenken an.
Zwar ist einiges schon vorhersehbar, was meinem Lesevergnügen aber in keinster Weise geschadet hat.
Bin ich am Anfang noch mit einem Metronom gemütlich durch das Buch gefahren, stieg ich kurz vor Ende, ohne es selbst zu merken in einen ICE ein. Die Geschwindigkeit, die Amy Christin Parker zum Schluss noch mal auffährt war für mich sehr beeindruckend. Es geht nun alles Schlag auf Schlag und lässt einen neugierig auf den zweiten Teil warten.

Fazit:
Positiv
Die Spannung ist grundsätzlich gegeben. Es vergeht eigentlich überhaupt keine Seite, auf der nicht irgendwas relevantes passiert. Entweder man begleitet die Protagonistin in deren Vergangenheit, wo alles zu Tage kommt, was mit ihrer Schwester passierte und wie die Familie Pioneer kennen lernte, oder der eigentliche Handlungsstrang wird weiter geführt und lässt einen fassungslos über die Naivität der Gemeinschaft aufseufzen.
Der Plot ist sehr gut durchdacht und wurde besser umgesetzt, als ich gedacht habe. 
Die gesamte Geschichte wird von Lyla in der Ich-Form erzählt.
Besonders toll fand ich die Veränderung von Lyla. Ihre Metamorphose zu einem eigenständig denkenden Menschen, hat mir sehr gut gefallen. Auch, was sie am Ende so alles auf die Beine stellt.
Amy Christin Parker schreibt toll! Man merkt nicht, wie viel man schon verschlungen hat und ist am Ende zutiefst traurig darüber, dass man jetzt ewig auf den zweiten Teil warten muss.
Negativ 
Leider kommt die Geschichte am Anfang erst langsam in Fahrt.
Lyla war mir zu naiv und stellenweise auch viel zu dumm. Ich konnte es nicht fassen, was sie alles geglaubt hat, und wie sie alles hingenommen hat, ohne auch nur mal auf die Idee zu kommen, etwas zu hinterfragen.
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