Rezension

Gefährliche Scheinwelt

Die Kinder sind Könige -

Die Kinder sind Könige
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 5 Sternen

Melanie Claux ist der Inbegriff einer durchschnittlichen Jugendlichen. Eher introvertiert hat sie nur wenige Freunde und auch in ihrem Elternhaus findet sie nur wenig Liebe und Geborgenheit.

Beeinflusst von den ersten Reality TV Shows baut sich in ihr der Wunsch auf, berühmt und von aller Welt geliebt zu werden.
Der Versuch selber als Kandidatin einer solchen Show Berühmtheit zu erlangen, scheitert jedoch kläglich.

Jahre später, als verheiratete Frau mit zwei kleinen Kindern, wird ihr Wunsch berühmt zu werden jedoch Wirklichkeit.

Zunächst aus Langeweile meldet sie sich auf Drängen ihres Mannes bei Facebook an und taucht dann immer mehr in die virtuelle Welt ein.
Sie kommuniziert mit anderen Müttern, findet virtuelle Freunde und fängt an, auf ihrem Facebook Konto Bilder ihres Sohnes zu posten.

Nach der Geburt ihrer Tochter Kimmy entdeckt die YouTube un d drei Jahre später postet sie dort das erste Video ihrer Tochter. Wenig später taucht auch ihr Sohn Sammy in den Videos auf, die Videos finden immer mehr Abonnenten und Melanie entwickelt sich durch das öffentliche zur Schau stellen ihrer Kinder zur erfolgreichen Influencerin. Dadurch hat sie endlich das Gefühl, (S. 93) „einen Platz auf der Welt gefunden zu haben, einen Ort zum Leben.

Eines Tages verschwindet jedoch ihre Tochter Kimmy.

An dieser Stelle kommt Clara, die zweite Protagonistin ins Spiel. Clara ist das genaue Gegenteil von Melanie. Sie steht den sozialen Medien skeptisch gegenüber, muss aber im Zuge der Ermittlungen immer weiter in die Auswüchse dieser Medien eintauchen.

Abwechselnd aus Melanies sowie Claras Sicht geschildert baut die Autorin von Anfang an einen stetigen Spannungsbogen auf. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, denn man will unbedingt wissen, was Kimmy zugestoßen ist.

Im Lauf des Buches erhält man darüber hinaus als Leser schockierende Einblicke in die knallharte und unerbittliche Welt der Social Media, in der es kaum Tabus und keinerlei Privatsphäre mehr gibt.

Schon lange hat mich kein Buch mehr so fassungslos und wütend gemacht, denn diese umfassende Vermarktung von unmündigen Kindern durch ihre eigenen Eltern in den sozialen Netzwerken war mir bislang nicht bekannt.

Nach der Klärung von Kimmys Verschwinden fand ich auch den Zeitsprung ins Jahr 2031 sehr eindrucksvoll, denn an dieser Stelle erfährt der Leser von Sammy, was diese Handlungsweise seiner Eltern bei ihm für psychische Schäden angerichtet hat.

Fazit:
Wenngleich nicht so sprachlich eindrucksvoll wie z.B. Vigans Roman „Dankbarkeiten“ legt die Autorin hier ein sehr wichtiges, gesellschaftskritisches Buch vor, das man unbedingt lesen sollte.
Wenn die Lektüre dieses Buches dazu führt, dass auch nur Einige die sozialen Medien kritischer hinterfragen, dann hat die Autorin viel erreicht.