Rezension

Social Media trifft auf reale Welt

Die Kinder sind Könige -

Die Kinder sind Könige
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 5 Sternen

Der Roman nimmt die Leser:innen mit in den (Alp-)Traum Social-Media-Ruhm: Er erzählt die Geschichte von Melanie und ihrer Bilderbuchfamilie aus Ehepaar und zwei Kindern, die ihr scheinbar perfektes Leben auf YouTube und Instagram ausleben. Mutter Melanie ist der Motor hinter der erfolgreichen Online-Präsenz, dabei ist sie regelrecht verblendet: Sie erkennt nicht, wie unglücklich ihre kleine Tochter ist und wie sie ihr Leben zerstört. Sie ist überzeugt, dass Kimmy - genau wie ihre Mutter - die Aufmerksameit liebt und süchtig nach der Liebe fremder Menschen ist. In diesem Glauben handelt Melanie auch: Sie lässt Merchandise mit den Namen ihrer Kinder entwickeln, organisiert ihnen Autogrammstunden und hält beinahe jede Minute filmisch fest, egal wie banal sie ist.
Alles kommt zum Stillstand, als die sechsjährige Kim entführt wird. Zwischen Gesellschaftskritik und Krimi erzählt "Die Kinder sind Könige" einerseits die Suche nach dem berühmten verschwundenen Mädchen und setzt sich andererseits mit der Auswirkung von Social Media und Berühmtheit auf die Gesellschaft und speziell auf Kinder auseinander.
Die Handlung erzählt Autorin Delphine de Vigan abwechselnd aus Perspektive der Mutter und der Polizistin Clara, die in dem Fall ermittelt. Die beiden ungefähr gleichaltrigen Frauen könnten kaum unterschiedlicher sein: Die eine hat die scheinbar perfekte Bilderbuchfamilie, Geld durch lukrative Werbedeals, Ruhm und Erfolg, die andere ist Single, kinderlos, blickt auf gescheiterte Beziehungen zurück und hat mit Social Media gar nichts am Hut. Aber Clara arbeitet sich mit Empathie und Dringlichkeit in die ihr fremde Welt des Internetruhms ein. Das zeigt die Autorin u.a. anhand von Protokollen, die Clara beispielsweise zu Insta-Storys oder YouTube-Videos der Familie erstellt. Die nüchternen Beschreibungen führen die Banalität und Absurdität des Ganzen perfekt vor Augen und schaffen einen eindringlichen Kontrast zu Melanie, die diesen Content mit voller Hingabe und Überzeugung entwickelt.
Nicht nur die Auflösung der Entführung, sondern auch das Ende des Buches hat mich überrascht. Die Autorin hat aktuelle Medienphänomene kritisch beleuchtet und gleichzeitig in eine spannende Geschichte verpackt. Empfehlenswert!