Rezension

In diesem Buch steckt viel mehr, als man im ersten Moment vielleicht denkt

Kissing in the Rain -

Kissing in the Rain
von Kelly Moran

Bewertet mit 5 Sternen

Camryn hat den beschissensten Tag ihres Lebens. Ihre Wohnung wurde verkauft und sie muss in spätestens 30 Tagen ausziehen, ihr Freund eröffnet ihr, dass er schon eine Weile eine Affäre mit ihrer Chefin hat und die Beziehung mit ihr beenden will, weil sie langweilig, ein Roboter, schlecht im Bett und noch einiges anderes ist. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug wird sie von besagter Chefin gefeuert – oder wie sie es nennt: wegrationalisiert. Camryn ist am bodenzerstört. Doch was sie am meisten erschüttert ist die Trennung. Nicht so sehr wegen des Typen, sondern weil sie jetzt allein zur Hochzeit ihrer Schwester gehen muss, was automatisch wieder dafür sorgen würde, dass sie als die Versagerin der Familie im Mittelpunkt stünde. Nur deswegen, um ihrer Schwester nicht ihren großen Tag zu ruinieren, lässt sie sich auf deren verrückte Idee ein, ihrer Familie eine Beziehung mit Troy, ihrem Fast-Bruder, vorzuspielen. Blöd nur, dass er ihr Herz ständig zum Rasen bringt.

 

 

Ich weiß, viele werden bei diesem Buch vor allem an eine romantische Komödie denken, viel Witz, viele peinliche Situationen und eine unerkannte Liebe, die total kompliziert ist. Aber in diesem Buch steckt so viel mehr, wenn man sich wirklich komplett auf die Protagonisten einlässt.

 

Mir hat Camryn so oft das Herz gebrochen. Ich habe so viel geweint. Sie tat mir schrecklich leid, aber was ich noch viel schlimmer fand war, wie ihre Familie mit ihr umgegangen ist. Nur weil sie ihre Gefühle nicht nach außen trägt, scheint die nämlich zu glauben, sie könne pausenlos auf ihr herumhacken und teilweise echt grausame Sachen zu ihr sagen, Camryn ist ja ein Roboter, sie hält das schon aus.

Ich weiß, wie es ist, tagtäglich eine Rolle zu spielen. Den Schmerz zu schlucken und niemals nach außen zu tragen. Eine Maske zu tragen. So zu tun, als ob es nicht weh tut, als ob man die Worte nicht hört, als ob sie einen nicht verletzen würden. Niemals vor anderen zu weinen, immer die Starke zu sein, die Fassung zu bewahren, auch wenn man aus tausend unsichtbaren Wunden blutet.

Camryn ist genauso. Sie trägt ihren Schmerz nie nach außen und bis er dieser Fake-Beziehung zustimmt, erkennt selbst Troy nicht, wie es wirklich in Camryn aussieht. Dabei dachte er, er würde sie kennen. Einst hat sie ihn gerettet, als er als kleiner traumatisierter Junge als Pflegekind in die Familie kam. Doch jetzt erkennt er, dass er zu viel übersehen hat in all den Jahren. Nicht nur Camryn, sondern auch ihren inneren Schmerz.

 

Camryn und Troy haben mir beide das Herz gebrochen. Beide denken, aus unterschiedlichen Gründen, sie seien nicht gut genug, beschädigt, wertlos. Und ich finde es so schrecklich, dass sie sich so fühlen! Was ich aber noch schlimmer finde ist, dass es bei Camryn ausgerechnet ihre Familie ist, die sie immer wieder verletzt. Ja, oft glaube ich, dass sie nicht erkennen, was sie da tun, aber dennoch finde ich es unsagbar traurig, dass sie Camryn ihre Gefühle absprechen.

 

Natürlich gibt es auch eine Liebesgeschichte, die nicht unkompliziert ist und sich echt super liest, aber für mich steht dieses „nicht gut genug“-Gefühl im Vordergrund. Ich finde es ist ein super wichtiges Thema und wird hier ganz toll rübergebracht. Wir alle kennen ja das Gefühl, wir alle fühlen uns manchmal nicht gut genug. Aber einige von uns, können dieses Gefühl nicht einfach so überwinden. Für sie ist es nicht „mal“ da, sondern ständig. Und besonders in Familien, sollte man auf die Gefühle der anderen achten und rücksichtnehmen, auch wenn man glaubt, den anderen in und auswendig zu kennen. Wir können nicht in ihn hineinsehen, wir können nicht mit 100%iger Gewissheit sagen, ob ihn unsere, vielleicht unglücklich gewählten, Worte nicht vielleicht sehr verletzen.

 

 

Fazit: Ich habe mich ganz am Anfang ein bisschen mit Camryn schwergemacht, sie hat mich für ein paar Seiten getäuscht, aber dann habe ich die echte Camryn gesehen und sie hat mir das Herz gebrochen. Man kann dieses Buch meiner Meinung nach auf zwei verschiedene Arten lesen: als romantische Komödie oder als ein Plädoyer für einen achtsameren Umgang miteinander. 

Camryn fühlt sich nicht gut genug und das die ganze Zeit, was vor allem an den verletzenden und oft auch grausamen Kommentaren ihrer Familie liegt. Sie trägt ihre Gefühle nicht nach außen, also gehen alle davon aus, sie habe keine und könne ihre „Neckereien“ schon wegstecken. Doch in meinen Augen ist das kein Necken mehr, sondern einfach nur brutal.

Natürlich gibt es auch witzige und romantische Szenen, es wird auch explizit, aber für mich steht die Message über Achtsamkeit im Vordergrund. Man weiß einfach nicht, wie verletzlich der andere wirklich ist. Man kann es nicht wissen, aber wir alle sollten im Hinterkopf behalten, dass Worte großen Schaden anrichten können. Und das wird in diesem Buch finde ich wirklich ganz toll gezeigt.

 

Von mir bekommt das Buch volle 5 Sterne, aber wenn ihr euch stark mit Camryn identifiziert, rate ich zu Taschentüchern!