Rezension

Auf Chaucers Spuren. Wenn auch anders.

Die Canterbury Schwestern - Kim Wright

Die Canterbury Schwestern
von Kim Wright

Bewertet mit 3 Sternen

Ich glaube, Jean ist eine Frau, die man völlig aufdröseln kann, wenn man den richtigen Faden findet und daran zieht.

Ich werde nirgendwo erwartet, von keinem, und die freie Zeit gähnt mich an wie ein Rachen. Wenn ich nicht aufpasse, falle ich noch hinein und werde auf der Stelle verschluckt.

Che's heile Welt bricht gerade zusammen, als ihr langjähriger Lebensgefährte sie plötzlich verlässt und sie von ihrer verstorbenen Mutter den Auftrag bekommt, deren Asche pilgernd nach Canterbury zu bringen. Was läge auch näher als diese Pilgerfahrt, da doch nichts mehr ist wie es einst war und Che nach irgendeinem Anker sucht, damit ihr der Boden nicht vollends unter den Füßen weggezogen wird. So schließt sie sich, skeptisch und verschlossen zunächst, einer geführten Frauen-Pilgertruppe an, die als gemeinsames Ziel die Kathedrale von Canterbury ins Auge gefasst hat. Unterwegs soll, ganz in der Tradition der mittelalterlichen "Canterbury Tales" von Chaucer, jede eine Geschichte erzählen. Dabei kommt Stück für Stück eine Menge Enthüllendes zutage; nicht Wenige erzählen ihre eigene Geschichte; Abgründe tun sich in den Biographien der einzelnen Frauen auf.

Die Idee, das Vorbild der alten erzählenden Chaucer-Pilger aufzugreifen und eine moderne Frauenrunde daraus zu machen, gefällt mir. Die Umsetzung ist sprachlich gelungen; die Figuren sind fein und liebevoll gezeichnet, hin und wieder ein bisschen zynisch. Die Dialoge haben Witz und Tempo. Allen, denen die Erzählung zu weitschweifig ist, empfehle ich einmal das Original von Chaucer. So weit, so gut. Was mir nicht so sehr gefällt, ist, dass es in den Erzählungen der Frauen so penetrant um Männerverschleiß geht. Auch der etwas flapsige Umgang mit der Asche der eigenen Mutter, der mir schon bei Graham Greene nicht hundertprozentig zugesagt hat, ist nicht ganz meine Schiene Humor; hier aber wird das Thema leider noch ausgiebiger ausgewalzt.

Und dann gibt die Reisende Valerie ausgerechnet jene Chaucer-Erzählung des Weibes von Bath wieder, die einzige, die ich bei Chaucer ausgelassen habe, weil dieser sie seiner Leserschaft als die Zweite der beiden derben, zotenhaften Geschichten angekündigt hatte; und ich muss gestehen, eine davon hatte mir gereicht. Und ausgerechnet hier hat mich die Autorin wieder, zieht die Ich-Erzählerin doch aus diesem Bericht wieder ganz und gar lebensnahe Schlüsse und festigt so schon wieder das gerade schon verloren geglaubte Niveau dieses merkwürdigen Buches.

Ziemlich unerträglich finde ich dann aber wieder die suggestiven Aufreihungen, was über einer Frau mit Vierzig, und was über einer Fünfzigjährigen alles zusammenbreche, gefolgt von weiteren furchtbaren Allgemeinplätzen wie "Es ist die Aufgabe einer Mutter, mit Engelszungen auf ihre Tochter einzureden, genauso wie es die Aufgabe der Tochter ist, nicht auf sie zu hören. Jede Frau muss ihre eigenen Fehler machen. ...".

Aber im Allgemeinen ist sprachlich alles sehr gekonnt und pointiert, wenn es auch teils ein wenig ratlos wirkt.

Ein einziger Makel, und schon wirft sie etwas weg, sei es ein Pullover oder ein Apfel oder ein Mann, und ich kann mich nicht entscheiden, ob diese lässige Missachtung die Quelle ihrer Kraft oder die Quelle ihrer Verletzung ist.

Die Schlussentwicklung ist durchaus fulminant; insgesamt aber hinterlässt die Geschichte einen zwiespältigen Leseeindruck bei mir. Es ist nicht, was man erwartet, wenn man ein Buch über eine Pilgerschaft liest; dies kann man als Vorzug empfinden, mir aber ging es nicht so. Im Prinzip ist jeder Roman suggestiv, das muss er sogar sein. Aber wenn mir mit dem Holzhammer Klischees über die Spezies Frau bzw. Mann eingetrichtert werden sollen, habe ich zumindest ein Wörtchen mitzureden und kann meine Zustimmung nicht uneingeschränkt erteilen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 14. April 2017 um 19:09

Eben. Einem Arbutili kann man solchene dummen Ansichten nicht einfach so unterschieben; -). Klappt nicht!

Arbutus kommentierte am 17. April 2017 um 20:38

Warum habe ich jetzt das komische Gefühl, nicht ganz für voll genommen zu werden... ; )