Rezension

die süsse Geschmacksexplosion im Mund bleibt aus

Bitterzart - Gabrielle Zevin

Bitterzart
von Gabrielle Zevin

Bewertet mit 3 Sternen

Eine dystopische Mafialiebesgeschichte mit illegalem Schokoladenhandel ... genau darauf habe ich gewartet, denn alle drei Aspekte sind genau mein Ding. Leider konnte mich Gabrielle Zevin mit ihrer tollen Grundidee nicht wirklich überzeugen.
Dass die Geschichte 2083 in New York spielt, verblasst im Buch nach und nach. Von der diktatorischen Regierungsform bekommt man nicht wahnsinnig viel mit, denn ein grosser Teil der Handlung spielt sich an der High School ab und die scheint nicht sonderlich anders zu sein.
Koffein und Schokolade sind illegale Genussmittel, Papier ist sehr selten, so dass alles digitalisiert ist, telefonieren ist sehr teuer. Wasser ist so rar, dass oft Alkohol getrunken wird (Besteht Alkohol nicht auch zu einem grossen Teil aus Wasser?). Diese Aspekte haben mich sehr gereizt, doch leider sie viel zu wenig ausgearbeitet.

Gabrielle Zevins Schreibstil ist sehr leger und erinnert an ein Tagebuch. Ab und zu spricht Anya den Leser direkt an oder fügt Erklärungen in Klammer an. Man merkt sehr gut, dass sie die Geschichte rückblickend schildert, denn ab und zu verwendet sie das Wort 'damals', doch wann und aus welchem Grund sie ihre Erlebnisse erzählt, erfährt man nicht.
Obwohl die Autorin den personalen Erzählstil gewählt hat, konnte ich mich nicht wirklich in die Protagonistin hineinversetzen, ich blieb Zuschauer. Für mich kratzt die Geschichte nur an der Oberfläche und geht zu wenig in die Tiefe. Allenfalls wird die Alufolie der Schokolade aufgerissen und man erhascht einen Blick auf die Köstlichkeit, doch die Geschmacksexplosion im Mund bleibt aus.

Anya hat ganz bestimmt kein einfaches Leben, doch sie bleibt mir einfach zu blass. Für dass sie schon seit längerem die Verantwortung für ihre Geschwister trägt, ist sie mir zu unsicher und unentschlossen. Zudem schwankt sie ständig hin und her - sei das nun in familiären Angelegenheiten oder in der Beziehung zu ihrem Freund Will.
Die Weisheiten ihres toten Daddys sind zwar zum Teil wirklich schön, doch habe ich immer mehr das Gefühl bekommen, dass Anya vor allem darauf baut und nicht sich selber vertraut.

Ich bin der Meinung, dass vor allem die Protagonisten die Schwachstelle des Buches sind. Denn nicht nur Anya ist mir zu blass, auch ihr Freund Win bleibt unscheinbar und ist der nette 0815 Junge von nebenan. Und so konnte auch die Liebesgeschichte zwischen der 'Mafiatochter' und dem Oberstaatsanwahlt Junior weder meinen Puls beschleunigen noch ein Kribbeln im Bauch auslösen.

Trotzdem war "Bitterzart" für mich eine kurzweilige Leseangelegenheit. Eine Geschichte, die sich durch den locker leichten Schreibstil sehr schnell lesen lässt, aber wohl auch rasch wieder in Vergessenheit gerät. Schade, dass das Potential der Grundidee nicht besser genutzt wurde.

Schon im Oktober 2013 erscheint der zweite Band "Edelherb". Ob ich nochmals von der Balanchine extra herb kosten werde oder einfach bei unserer Schweizer Schokolade bleibe, ist noch ungewiss.

Fazit:
"Bitterzart" bietet viele interessante Themen wie Mafia, Liebe, Dystopie, Verbot von Schokolade und Koffein und Familienschicksal. Doch leider hat mir das schokoladige Buch den Alltag nicht so versüsst wie ich es mir erhofft hatte, denn all diese Aspekte blieben mir zu sehr an der Oberfläche, waren mir zu unscheinbar. Trotzdem hat mir das Buch kurzweilige Lesestunden beschert.