Rezension

Worauf will das Buch hinaus?

Bitterzart - Gabrielle Zevin

Bitterzart
von Gabrielle Zevin

Cover:
Ich finde die Farbgestaltung des Covers sehr interessant und außergewöhnlich. Auch, dass sich der Frauenkopf zu Beginn von jedem Kapitel auf der unteren Seitenecke wiederholt, mag ich sehr gerne. Der Einband ist nur sehr empfindlich, was ich schade finde.

Meinung:
Lange stand das Buch bei mir ungelesen im Regal rum, weswegen ich dachte, dass ich es jetzt endlich mal lesen sollte. Leider konnte die Handlung bei mir nur einen Heißhunger auf Schokolade auslösen, keine Begeisterung.
Erst einmal muss ich sagen, dass ich die Schriftgröße für den Preis riesig finde. Ich hatte das Buch innerhalb von 2 Tagen ausgelesen, weil es sich so fix umblättern lässt, was ich schade finde. Für den Preis möchte man gern etwas mehr von dem Buch haben, Buchpreisbindung hin oder her.
Anya lebt im Jahre 2083. Wasser, Papier und andere Luxusgüter sind Raritäten geworden und unglaublich teuer. Um weiterhin zu sparen, sind zum Beispiel auch Schokolade und Kaffee verbotene Güter, weswegen der Schwarzmarkt boomt. Anya ist die Tochter eines Mafiabosses, der sich innerhalb der Schokoladenproduktion ein kleines Imperium aufgebaut hat. Doch dieser ist, genau wie seine Frau ermordet worden, weswegen Anya sich um ihre todkranke Großmutter und ihre beiden Geschwister kümmern muss. Als eines Tages Anyas Ex-Freund durch vergiftete Schokolade zu sterben droht, gerät Anya in große Gefahr.
Es fällt mir sehr schwer, dieses Buch einzuschätzen. Und ich fürchte, das ist auch mein Grundproblem, abgesehen von Anya. Ist es eine Dystopie? Ist es ein Spionageroman? Ist es ein Thriller? Oder eher ein Young Adult Buch, wo ein Mädchen lernt, ihren Weg zu gehen? Alles in diesem Buch wirkt unglaublich gewollt und nicht zu Ende gedacht. Ich hatte das Gefühl, dass zu viele Aspekte in einem Buch vereint werden sollten, ohne dass man gemerkt hat, dass dadurch ein riesiges Kuddelmuddel entsteht, was keine Richtung besitzt. Das Buch weiß an keiner Stelle, worauf es hinauswill. Dadurch fehlte mir als Leser eine sehr große Orientierung, weswegen ich es schwer hatte, in dieser Welt Fuß zu fassen und mich darauf einzulassen, weil ich immer wieder in eine andere Richtung gelenkt wurde.
Zum Beispiel fand ich es auch in diesem Kontext völlig deplatziert, wie Anyas Religiosität hervorgetan wurde. Jeder soll an das glauben, was er möchte, aber in einer dystopisch angehauchten Welt, wo es eher darum geht, seinen Kopf aus der Schlinge von Mafia-Geschäften zu ziehen, passte es einfach absolut nicht hinein, dass Anya zur Beichte geht, definitiv keinen Sex vor der Ehe haben will und sich bekreuzigt, wenn sie ausversehen „oh mein Gott“ sagt. Dadurch, dass es nur ein Bruchteil in diesem Chaos und keine wirkliche Auseinandersetzung mit diesem Thema war, kam es bei mir vielleicht dadurch auch völlig falsch an. Für solch eine komplexe Thematik sollte man sich meiner Meinung nach mehr Zeit nehmen.
Mit Anya bin ich auf keiner Seite warm geworden. Selten habe ich eine so rationale und eiskalte Protagonistin erlebt wie sie, was in diesem Buch seltsam ist. Dadurch, dass alles aus ihrer Ich-Perspektive erzählt wird, hätte es mir leicht fallen müssen, Zugang zu ihrer Person zu finden, aber das gelang mir nicht.
Ich fand den Schreibstil wirklich gut. Er lässt sich flüssig lesen und dadurch kam ich auch sehr schnell durch das Buch. Ich mochte die Art, wie Anya auf sarkastische und teilweise auch bissige Weise über ihre Erlebnisse berichtete und musste bei manchen Formulierungen schmunzeln. Wieso also kann ich nichts mit ihr anfangen?
Ein Beispiel: Anya ist seit 9 Monaten mit einem Jungen zusammen, liebt ihn aber nicht. Schlimmer noch: Er ist ihr total egal. Alles ist ihr egal, abgesehen von ihren Geschwistern und ihrer Großmutter. Auch wenn Anya über ihre Liebe zu Win spricht, scheint er ihr egal zu sein. Diese Gleichgültigkeit zieht sich durch das gesamte Buch und übertrug sich auch auf mich und spiegelte sich: Anya wurde mir auch egal. Ich respektiere ihre Art, sich für ihre Geschwister einzusetzen, diese bedingungslose Liebe, aber diese war überschattet von den Weisheiten ihres toten Vaters, die permanent aus dem Off kamen. Dadurch wirkte Anya wie eine Marionette seiner Interessen, was es mir nicht leichter machte, Anya mögen zu können.
Da wären dann noch die Klischees. Natürlich ist Anya Tochter eines russischen Mafiabosses, was sich weiter fortführt, wenn es zur Begegnung mit der japanischen Schokoladenmafia kommt. Das fand ich sehr abgegriffen und irgendwo auch nervig.
Alles verläuft genauso, wie man es erwarten würde. Es gab nicht eine Szene, in der es spannend wurde und wo man sich gewundert hat, was ich wirklich schade fand, denn so langweilte ich mich sehr schnell.
Gut gefallen hat mir trotzdem der dystopische Hauch, mit dem die Welt beschrieben wurde. Die Entbehrungen von Anya und ihrer Familie wurden sehr deutlich und das hat mir sehr gut gefallen. An sich hat mir auch die Idee gefallen, Schokolade als verbotenes Rauschmittel in den Mittelpunkt zu stellen, was nur leider nicht so ganz funktioniert hat.

Fazit:
Der Schreibstil und die Idee retten das Buch über die 1-Punkte-Marke hinweg, da mich diese Dinge wirklich begeistern konnten und ich dadurch auch gut durch das Buch kam. Nur leider wirkt alles sehr bemüht und zu gewollt, wodurch ein Chaos an halberklärten Dingen entsteht, das sich negativ auf die Orientierung auswirkt. Klischees und eine absolut unsympathische Protagonistin und die fehlenden Spannungspunkte lassen das Buch trotz der tollen Idee leider absinken. Schade. Ich denke, ich werde die Reihe nicht weiter verfolgen.