Rezension

Nicht ganz überzeugende Mischung aus Romeo und Julia mit Gangsterfeeling

Bitterzart - Gabrielle Zevin

Bitterzart
von Gabrielle Zevin

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ihr Vater war einer der mächtigsten Männer im New York der Zukunft. Nach seinem Tod ist sie für die Familie verantwortlich.
Doch die Vergangenheit will sie nicht ruhen lassen.

 

Im Jahre 2083 ist große amerikanische Metropole eine andere: Papier und Wasser sind Mangelware, Schokolade und Kaffee verboten. Anya Balachine, Tochter eines der einflussreichsten Gangsterbosse für den Schokoladenhandel der Stadt, will nichts mehr mit dem Geschäft ihres Vaters zu tun haben, nachdem jener vor ihren Augen grausam ermordet wurde. Das Einzige, das ihr wichtig ist, ist es, auf ihre Schwester und ihren Bruder aufzupassen und sie zu beschützen.
Dann tritt Win in ihr Leben, ausgerechnet der Sohn des neuen stellvertretenden Staatsanwalts und verliebt sich trotz ihrer Abwehrmechanismen in sie. Gleichzeitig wird ihr nur zu deutlich bewusst, dass sie sich dem restlichen Balachine-Clan nicht länger entziehen kann.
Eine viel zu gefährliche Kombination.

 

 

Allein schon der Klappentext und das Cover von Bitterzart versprachen ein wunderbares Gangsterfeeling, vergleichbar mit demjenigen der Zwanziger und Dreißiger Jahre in Amerika zu Zeiten der Prohibition. In gewissem Maße gelingt dies der Autorin auch, aber ihr Werk kann eben nicht gänzlich überzeugen.
An Anyeschka Balachine liegt dies nicht unbedingt, denn sie ist ein schön gestalteter Charakter. Hin- und hergerissen zwischen ihrer Verehrung für den Vater und dem innigen Wunsch, nichts mit seinen Geschäften zutun zu haben, zwischen der Liebe zu Win und ihrem Verantwortungsbewusstsein ihrer Familie gegenüber, sind ihre Sorgen und Nöte spannend zu beobachten und toll dargestellt. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, auch wenn sie manchmal etwas zu unentschlossen für ihre sonstige Abgeklärtheit auf mich wirkt.
Von den übrigen Figuren fand ich Scarlet am vielschichtigsten, über die anderen erfährt man leider so wenig, was besonders im Fall von Win sehr schade ist. Seine Beziehung zu Anya beginnt angenehm langsam, gewinnt jedoch dadurch nicht an der erhofften Tiefe, da der Staatsanwaltssohn mir einfach zu blass blieb.

 

Der Schreibstil liest sich flüssig, da das die einzelnen Kapitel wie Tagebucheinträge gestaltet sind. Hin und wieder findet sich ein vorausschauender Hinweis darauf, dass die einzelnen, in der ersten Person verfassten Abschnitte im Nachhinein geschrieben wurden. Zum Glück halten sich solche Andeutungen in Grenzen, sodass sie die Spannung eher schüren, als sie zu zerstören. Denn im Ganzen fehlt es leider an mitreißenden Momenten. Zwar gibt es immer wieder Szenen, die einen mitfiebern und mitleiden lassen, doch dazwischen sorgen etliche Längen für Langeweile.
Auch die mit Umschlaggestaltung und Inhaltsangabe geschürte Erwartung nach einer richtigen Verbrecheratmosphäre erfüllt sich nicht wirklich. Ansätze sind durchaus vorhanden, besonders in Gestalt von Cousin Jacks, doch dienen sie augenscheinlich lediglich dazu, die Hauptheldin in immer größere Schwierigkeiten zu stürzen und ihr persönliches Dilemma zu verkomplizieren. Da hätte man so manche potentielle Ansätze wesentlich besser ausbauen und Anyas Schicksal trotzdem interessant gestalten können.

 

 

Bitterzart von Gabrielle Zevin ist eine Dystopie, die Altbekanntes mit einer Prise Neuem vermischt und eine Spur Gangsterfeeling hinzugibt. Der Roman besticht durch seine Hauptfigur, die die Geschichte zu tragen weiß und den Leser hindurchführt, selbst wenn andere Charaktere dagegen zu blass wirken. Die Liebesgeschichte, die erfreulicherweise nicht zu überstürzt aufgebaut wird, hat ihre süßen Momente, lässt jedoch die erhoffte Tiefe weitestgehend vermissen. Eine passende düstere Atmosphäre kommt durchaus auf, kann aber auf Dauer nicht aufrechterhalten werden, ebenso wenig wie die Spannung.
Insgesamt allerdings ist es ein gutes Buch mit vielen vielversprechenden Ansätzen, die lediglich holprig umgesetzt werden. Für den zweiten Band stehen aufgrund dessen so einige Möglichkeiten offen.