Rezension

Warum haben die Zwillinge sich auseinandergelebt?

Zertrennlich - Saskia Sarginson

Zertrennlich
von Saskia Sarginson

Bewertet mit 3 Sternen

1987, London. Issy und Viola sind Ende 20 und eineiige Zwillinge. Ihre Leben sind jedoch völlig verschieden. Während Issy für eine Modezeitschrift arbeitet, liegt Viola aufgrund ihrer Magersucht im Krankenhaus. Warum hungert Viola so sehr? Der Schlüssel scheint in der Vergangenheit zu liegen.

1970er Jahre, Suffolk. Gemeinsam mit ihrer Mutter, die einen alternativen Lebensstil pflegt, sind Issa und Viola aus einer Kommune in ein kleines Häuschen im Wald gezogen, wo sie sich als Selbstversorger ausprobieren. Eines Tages lernen sie die eineiigen Zwillinge Michael und John kennen, mit denen sie immer mehr Zeit verbringen. Doch schließlich soll etwas geschehen, das das Leben aller Beteiligten für immer verändert…

Zu Beginn des Buches werden die Vergangenheit und die Gegenwart (in diesem Fall 1987) der beiden Zwillinge gegenübergestellt. Früher waren sie unzertrennlich miteinander verbunden, wie zwei Teile eines Ganzen. Inzwischen jedoch haben sie sich stark auseinandergelebt, während Issy ein beneidenswertes und aufregendes Leben führt, liegt Viola mit Magersucht im Krankenhaus. Was ist wohl in den 15 Jahren dazwischen geschehen, dass beide so unterschiedliche Wege eingeschlagen haben? Dieser Frage wollte ich gerne nachgehen und freute mich auf das Buch.

Das Buch lebt sehr von den Rückblicken der Vergangenheit, welche die Geschehnisse in der Gegenwart überwiegen. Man begleitet die Zwillinge bei ihren Streifzügen durch den Wald und im Zusammenleben mit ihrer Mutter. Bald lernen sie auch die Zwillinge John und Michael kennen, mit denen sie immer mehr Zeit verbringen. Man erfährt in diesen Rückblicken viel über die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen. Dabei hat mir besonders die vorsichtige Annäherung zwischen Viola und John gefallen. Irritiert haben mich hingegen die Zeitsprünge in der Vergangenheit, zwischenzeitlich fiel es mir schwer den Überblick über die chronologische Abfolge der Erinnerungen zu bewahren. In der Gegenwart ist die Geschichte sehr statisch. Viola liegt die ganze Zeit im Krankenhaus und ihre Magersucht und die damit verbundenen Gedanken werden thematisiert, während Issy ihrer Arbeit nachgeht und sich mit ihrem Freund Ben trifft.

Viele Seiten lang habe ich als Leserin darauf gewartet, dass es in der Gegenwart zu einer Entwicklung der Protagonistinnen kommt oder enthüllt wird, was in der Vergangenheit vorgefallen ist. Die erste Buchhälfte erlebte ich daher als wenig fesselnd, es werden nur vage Andeutungen gemacht. In der zweiten Buchhälfte kommen die Dinge dann in der Gegenwart endlich ins Rollen. Bei den Zwillingen beginnt sich eine Entwicklung abzuzeichnen und man wird Teil einer wichtigen Reise. Auch wenn es jetzt interessanter wurde, konnte mich das Buch einfach nicht ganz packen. Die Rückblicke bleiben weiter relativ ereignislos, da sich die Autorin die große Enthüllung fast bis zum Schluss aufbewahrt. Für das, was die Autorin erzählen wollte, hat sie für meinen Geschmack zu weit ausgeholt.

Die Leben von Viola und Issy werden abwechselnd geschildert, wobei Viola immer aus der Ich-Perspektive erzählt, während Issys Szenen aus Sicht eines personalen Erzählers geschrieben sind. Viola war ich dadurch als Leserin näher, dadurch wird allerdings auch das Thema Magersucht in diesem Buch nochmals hervorgehoben. Die Atmosphäre war insgesamt eher bedrückend, auch wenn es immer wieder hoffnungsvolle Momente gibt.

„Zertrennlich“ wagt sich an ein schwieriges Thema, aber welches das überhaupt ist erfährt man als Leser erst ganz zum Schluss. Auf dem Weg dahin beschäftigt sich das Buch damit, wie es überhaupt dazu kommen konnte und wie die Zwillinge etwa 15 Jahre später leben. Gefallen hat mir, wie die Beziehung zwischen Issy und Viola und ihre Gefühle auch gegenüber anderen Menschen beschrieben werden. Vor allem die Rückblicke waren mir aber zu ausschweifend erzählt, weshalb ich mich durch so manche Länge kämpfen musste. Das Buch erhält daher von mir drei Sterne.