Leserunde

Leserunde zu "Schwachstellen" (Yishai Sarid)

Schwachstellen -

Schwachstellen
von Yishai Sarid

Bewerbungsphase: Bis zum 28.09.

Beginn der Leserunde: 07.10. (Ende: 28.10.)

Im Rahmen dieser Leserunde stellen wir – mit freundlicher Unterstützung des Kein & Aber Verlags – 20 Freiexemplare von "Schwachstellen" (Yishai Sarid) zur Verfügung. Eine Leseprobe zum Buch findet hier

Wenn ihr eines der Freiexemplare gewinnt, diskutiert ihr in der Leserunde mit, tauscht euch über eure Leseerfahrungen aus und veröffentlicht am Ende eine Rezension zum Buch.

ÜBER DAS BUCH:

Politthriller

Leicht war es nie: Sivs Vater ist ständig pleite, seine Mutter geht mit einem Arzt fremd und seine jüngere Schwester ist in die Drogensucht abgerutscht. Auch bei den Frauen kann er nicht punkten. Aber als professioneller Hacker - der Beste und Begehrteste in seinem Fach - wird er auf Händen getragen. Seine Aufträge in Israel und im Ausland werden politisch immer brisanter. Als er in einem europäischen Land ein Abhörsystem für Mobiltelefone installieren muss, um Regimekritiker ausfindig zu machen, kommen bei ihm erste ethische Skrupel auf. Einerseits redet er sich ein, nur seinen Job zu erfüllen - und andererseits kann er es immer weniger lassen, Sicherheitslücken von Smartphones mehr und mehr auch für private Zwecke zu nutzen …

ÜBER DEN AUTOR:

Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und an der Harvard University und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig und veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane Limassol, Alles andere als ein Kinderspiel, Monster und zuletzt Siegerin.. 
Yishai Sarid wurde 1965 in Tel Aviv geboren, wo er bis heute lebt. Nachdem er als Nachrichtenoffizier in der israelischen Armee tätig war, studierte er in Jerusalem und an der Harvard University und arbeitete später als Staatsanwalt. Heute ist er als Rechtsanwalt tätig und veröffentlicht Artikel in diversen Zeitungen. Bei Kein & Aber erschienen bislang seine Romane Limassol, Alles andere als ein Kinderspiel, Monster und zuletzt Siegerin.

30.10.2023

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
alasca kommentierte am 09. Oktober 2023 um 21:23

Der Einsatz in Europa ein einziger Horror. Sivi drückt alles weg, was er an Schrecklichem zu sehen bekommt; einziger Hinweis darauf, dass das nicht spurlos an ihm vorbeigeht, sind seine anhaltenden Schwindelanfälle. Somatisierte Gewissensnöte. Er nimmt alles so hin, wie es ihm gesagt wird. Und tut, was von ihm verlangt wird. Alles Verbrecher, die ihr Schicksal verdienen. Nicht einmal die Familie an der Grenze kann seinen Gefühlspanzer durchbrechen. Auch in Anna ist er verliebt, genau wie in Iris. Offenbar verliebt er sich wahllos in jede attraktive Frau, der er begegnet. Er möchte so gern geachtet und bewundert werden, aber sogar seine Auftraggeber verachten ihn. Er ist eine tragische Figur. Oder ein armes Würstchen, je nach Perspektive. 

Am Ende gerät er in einen Putsch, offenbar unter Beteiligung des Ehemanns von Anna. Krasse Nebenstory, diese Ehe. Zu Hause gibt es weder Ehre noch Party, nur schmerzende Frostbeulen und die Feststellung, er habe bewiesen, dass man ihn überall hinschicken könne. Das käme einer Beleidigung gleich - wenn es nicht so wahr wäre.  

Die Frage dabei ist natürlich: Wie hätte man selbst gehandelt? Hätte man sich in Gefahr gebracht? So getan, als würden die Fähigkeiten für das Verlangte nicht ausreichen? Aber das kann Sivi nicht leisten - sein Selbstwertgefühl ist eng mit seiner Fachkompetenz verbunden. Er KANN nicht darauf verzichten. Und solche Schurkenregimes sind nicht zimperlich. An den Galgen geht es schnell. Oder ins Lager, ohne Obdach, bei eisiger Kälte und Regen. 

Die Sprache, der Sound immer noch kühl und unbeteiligt. Es macht einen frösteln. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Readaholic kommentierte am 10. Oktober 2023 um 12:13

Das hast du sehr gut zusammengefasst. Die Frage habe ich mir auch gestellt, wie hätte ich mich verhalten? Es ist leicht, moralisch auf dem hohen Ross zu sitzen, wenn man sicher und gemütlich zuhause ein Buch liest, aber was, wenn das eigene Leben in Gefahr ist? Wobei Siv meiner Meinung nach gar nicht so weit gedacht hat. Ihm ging es darum zu zeigen, was er kann ("Ich tue nur meine brillante Arbeit.").

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
alasca kommentierte am 11. Oktober 2023 um 19:49

Es war ihm schon etwas mulmig, er muss die Eindrücke aktiv wegdrücken. Das tut er, indem er sich auf den fachlichen Aspekt konzentriert - was ihm viel zu leicht fällt, das ist wahr.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
GaudBretonne kommentierte am 13. Oktober 2023 um 16:38

Ja, der gesamte Teil lässt einen frösteln. Diese eisige Gefühlskälte passt dann aber auch dazu, dass Siv sich schnell „verliebt“. Es geht ihm nicht um die Frau. Er sucht wahllos die Liebe, die ihm seine Eltern zuhause nicht gegeben haben. Nur wenn er ihnen Geld gibt bzw. sie ihn beim Umgang mit der Schwester brauchen, erfährt er Aufmerksamkeit. Daher ist es nicht verwunderlich, dass er diese Verhaltensmuster auch bei dem Auftrag einsetzt und sich nur auf die Aufgaben konzentriert. Dennoch wirkt er hier wie ein „Roboter“ auf mich, der alle Aufträge ausführt, ohne nach einem „Ausweg“ zu suchen. Und das beantwortet m. E. auch die Frage, wie wir uns verhalten hätten. Normalerweise würde man wenigstens imaginär versuchen, eine Lösung zu finden. Diese Gedanken hat Siv aber nicht. Daher fällt ihm die Kommunikation mit seinen Mitmenschen auch so schwer.  

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
alasca kommentierte am 14. Oktober 2023 um 19:02

Wie hätten wir uns denn verhalten?

Ich glaube nicht, dass wir einschätzen können, wie wir in so einer Situation handeln würden. Mut kann hier sehr leicht das Leben kosten. Und Siv ist verhält sich keineswegs wie ein Roboter. Er mag wohl alles wegdrücken, aber er bezahlt mit psychosomatischen Beschwerden dafür. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
GaudBretonne kommentierte am 15. Oktober 2023 um 10:47

Mag sein, dass er in der Situation nicht anders handeln konnte. Das streite ich nicht ab. Aber die Tatsache, dass er alles  Unheilvolle wie auf Knopfdruck wegdrückt, ohne die Situation, in der er steckt, zu reflektieren, finde ich extrem befremdlich. Ich sage nicht, dass er dauerhaft wie ein Roboter wirkt. 

Sicher magst du auch mit den psychosomatischen Beschwerden richtig liegen, zumal sein "naiver" Charakter und seine Art, mit seiner Umwelt zu kommunizieren, bereits im ersten Teil angelegt wurde. Da stimme ich dir zu.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Marcsbuecherecke kommentierte am 16. Oktober 2023 um 16:05

@alasca: Deiner Aussage kann ich nur zustimmen. In der Theorie ist es immer recht einfach zu sagen, wie man reagiert hätte. Wenn man dann aber plötzlich in der ein oder anderen Situation wieder "aufwacht", ist es dann doch etwas ganz anderes. Gerade die psychosomatischen Folgen für Siv sind ein wahrhaft hoher Preis, der hier gezahlt wird.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Mara S. kommentierte am 15. Oktober 2023 um 21:35

An dem Terminus "meine brilliante Arbeit" stoße ich mich mit am meisten. Hier kann ich total schwer rauslesen, ob Sivi wirklich dieser Ansicht ist oder sich daran klammert, weil alle um ihn herum, ihn wegen seiner "brillianten Arbeit" wertschätzen. Diese Hybris zu seinen Fähigkeiten empfinde ich als ganz merkwürdig. Weil er sonst ja in allem so unsicher ist. In diesem Auslandseinsatz wirkt er auf mich wie ein kleines Kind, dass ganz stolz immer wieder seine kleinen Kunststückchen zeigt und sonst vor allem anderen die Augen schließt. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
evaczyk kommentierte am 20. Oktober 2023 um 17:24

ich stimme dir da voll zu, es hat für mich etwas technokratisches an sich wie er reagiert. Schließlich ist es das Programm, das er installiert und wartet, das fürchterliche Konsequenzen für andere Menschen hat. Und anders als im ersten Teil, wo er zunächst mal nur vage Vermutungen hatte, dass das alles nicht nur die schöne neue Technikwelt ist, hat er hier einen ganz direkten, brutalen Blick auf die Folgen seiner Arbeit, die er sich auch nicht wirklich schön reden kann. Es erinnert mich ein wenig an die Argumente der Waffenlobby ("Nicht Waffen töten, sondern Menschen"): Er führt nur ein Programm aus, Verantwortlich ist er nicht. So hätte auch Eichmann argumentiert. 

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parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:14

Und anders als im ersten Teil, wo er zunächst mal nur vage Vermutungen hatte, dass das alles nicht nur die schöne neue Technikwelt ist, hat er hier einen ganz direkten, brutalen Blick auf die Folgen seiner Arbeit, die er sich auch nicht wirklich schön reden kann. Es erinnert mich ein wenig an die Argumente der Waffenlobby ("Nicht Waffen töten, sondern Menschen"): Er führt nur ein Programm aus, Verantwortlich ist er nicht.

Ja, gut auf den Punkt gebracht. So empfinde ich es auch - beim Lesen ein durchgehend mulmiges Gefühl.

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parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:15

Mein erster Kommentar des Tages wird immer doppelt angelegt... Keine Ahnung warum. Und löschen kann ich ihn ja nicht.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
westeraccum kommentierte am 14. Oktober 2023 um 11:41

Ich glaube, dass sich niemand von uns gegen die Wünsche des Regimes aufgelehnt hätte. In einem fremden Land, dessen Sprache man nicht versteht und wo man keinen Rückhalt hat und nicht weiß, ob man jemandem trauen kann? Das wäre reiner Selbstmord.

 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
alasca kommentierte am 14. Oktober 2023 um 19:03

Ganz genau. Moralischer Dünkel ist hier fehl am Platz.

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GaudBretonne kommentierte am 15. Oktober 2023 um 10:50

Das meine ich auch gar nicht. Dass er diese Situation aber so gar nicht reflektiert, ist, finde ich befremdlich.

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parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:20

Ich glaube, dass sich niemand von uns gegen die Wünsche des Regimes aufgelehnt hätte. In einem fremden Land, dessen Sprache man nicht versteht und wo man keinen Rückhalt hat und nicht weiß, ob man jemandem trauen kann? Das wäre reiner Selbstmord.

Das stimmt sicherlich - wenn man erst einmal hineingeraten ist. Aber Siv springt ja mit beiden Füßen voran in jeden Auftrag hinein, die Firma weiß schon, was okay ist und was nicht, er ist einfach nur blinder, blauäugiger Befehlsempfänger ohne den eigenen Verstand einzuschalten oder sich im Vorfeld über irgendwas zu informieren. Im Grunde funktioniert Siv wie eine KI - Befehl -> Ausführung. Im Land selbst hat er keine Chance mehr heil herauszukommen, wenn er den Befehlen nicht nachkommt. Aber vielleicht hätte er nicht alles so perfekt hinbekommen müssen, gerade als er merkte, dass Menschenleben davon abhängen. So ist seine Denkweise allerdings nicht - die Leute sind ja selbst Schuld, dass sie in diese Lage gekommen sind. (Nicht meine Gedanken, wohlbemerkt...)

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Hornita kommentierte am 10. Oktober 2023 um 07:57

Dieser Abschnitt war ein wilder Ritt. Gleich zu Beginn fand ich die Beschreibung des Frühstücks sehr eigenwillig. In welchem europäischen Land gibt es so ein Frühstück? Überhaupt scheint es dort Pflaumen in jeder Verwertungsart zu geben ;-) Die Aufgaben sind wirklich bedenklich, die Siv erledigen soll. Relativ schnell kommen einem moralische Bedenken, die Siv aber nicht an sich heranlässt. Der Staat mutet mittelalterlich, technikaffin und dystopisch zugleich an. Das Ende kommt überraschend, ist aber passend und schließt diesen Abschnitt ab. Aber ob Siv etwas daraus gelernt hat, ist noch völlig offen. Obwohl alles aus seiner Perspektive erzählt wird, fehlen mir seine Gedanken und Gefühle, bzw. hätten sie durchaus ausführlicher sein dürfen.

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westeraccum kommentierte am 14. Oktober 2023 um 11:44

"mittelalterlich, technikaffin und dystopisch zugleich", das trifft es genau. Ist schon sehr unheimlich, aber ob es nach dem Putsch besser wird? Die Hoffnungen zerschmelzen ja oft schnell in solchen Situationen. Man denke nur an den Arabischen Frühling, wo oft nur ein Diktator durch einen anderen abgelöst wurde.

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Mara S. kommentierte am 15. Oktober 2023 um 21:55

Ich habe auch die ganze Zeit überlegt, welches europäische Land hier wohl Pate gestanden hat und bin nicht so recht schlau draus geworden. Am ehesten käme wohl Belarus in Frage. Die Kombination aus langjährigem Ministerpräsidenten mit autoritärem Führungsstil und Flüchtlingspolitik sowie Umgang mit Oppositionellen scheint ins Bild zu passen.

Ich fand es auch sehr auffällig, dass Siv hier sehr häufig von dem Essen berichtet, das man ihm vorsetzt. Ein krasser Gegensatz zwischen dem Leid der Menschen um ihn herum und dem guten Apfel- und Pflaumenkuchen...

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Hornita kommentierte am 16. Oktober 2023 um 10:35

Wahrscheinlich dann doch ein Phantasieland, um niemandem auf die Füße zu treten. Eine Mischung aus vielen Ländern und Eigenheiten...

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:30

Wahrscheinlich dann doch ein Phantasieland, um niemandem auf die Füße zu treten. Eine Mischung aus vielen Ländern und Eigenheiten...

Das kann gut sein - aber ich habe auch überlegt, wo das nun genau spielen soll... :)

 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
evaczyk kommentierte am 20. Oktober 2023 um 17:26

Mit Burg und Pflaumen und dem Misstrauen gegen den Nachbarn im Osten sowie dem alten jüdischen Friedhof hätte ich als erstes an Prag gedacht, hier in Phantasieverbindung mit Langzeitherrschern wie Lukaschenko und vielleicht dem xenophopben Nationalismus in Orbans Ungarn. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:29

Ich habe auch die ganze Zeit überlegt, welches europäische Land hier wohl Pate gestanden hat und bin nicht so recht schlau draus geworden. Am ehesten käme wohl Belarus in Frage.

Weißrussland hat keine Berge - die höchste Erhebung beträgt lt. Wikipedia 345 Kilometer. :)

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Marcsbuecherecke kommentierte am 16. Oktober 2023 um 16:10

Welches Land hier Vorbild gewesen sein dürfte, ist mir auch noch nicht so ganz klar, habe aber irgendwie Schweiz / Österreich vor Augen. Kann jetzt aber auch an den Pflaumen liegen :D Gerade deine Beschreibung des Staates trifft es wirklich sehr gut. Die Widersprüche in diesem Staat, sind mit mittelalterlich, technikaffin und dystopisch zugleich wirklich perfekt beschrieben.

Gerade deine letzte Aussage spricht mir wirklich aus der Seele: Wir lesen dieses Buch komplett aus der subjektiven Sicht von Siv und lernen dennoch recht wenig über und von ihm.

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parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:57

...habe aber irgendwie Schweiz / Österreich vor Augen...

Ähm - ich glaube eher nicht... ;) Die Länder liegen nun wirklich nicht in Osteuropa

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Crazy-Cat-Lady kommentierte am 10. Oktober 2023 um 09:15

Ich werde mit diesem Buch einfach nicht warm. Die ganzen Erzählungen der Gegend und des Frühstücks und so sind mir viel zu ausschweifend. Trotzdem bleibt alles so vage. Man erfährt nie, wo genau er da eigentlich ist. Oder habe ich das überlesen?

Siv ist auch nicht gerade der sympathischste Protagonist. Eigentlich erweckt er hauptsächlich Mitleid. Er macht einfach, was ihm gesagt wird. Ist es von zu Hause vermutlich nicht anders gewohnt. Er hinterfragt seine Chefs nicht, obwohl ihm doch längst klar sein sollte, was sie da eigentlich anrichten. Auch dieser Putsch, dem er ja knapp entgeht, ändert daran nichts. Er macht einfach immer weiter wie bisher. Ich glaube nicht, dass das für ihn am Ende gut ausgeht.

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Readaholic kommentierte am 10. Oktober 2023 um 12:06

Welch ein Abschnitt! Siv führt nach wie vor alle Befehle aus ohne sie in irgendeiner Weise zu hinterfragen. Bulkas Okay genügt ihm. Indirekt ist er für viele Tode verantwortlich, angefangen bei den drei Männern in ihren Käfigen bei dem Tribunal, bei dem der Schuldspruch und somit der sichere Tod davon abhing, ob Siv das Handy knackt oder nicht. Spätestens als die Flüchtlingsfamilie so brutal behandelt und der Junge erschossen wird, hätte sich doch sein Gewissen regen müssen, doch er redet sich alles schön: "Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, das ist schon richtig, aber sie dürfen diesen Staat nicht betreten, das ist rechtswidrig und die Welt würde in Chaos versinken, wenn jeder hinlaufen würde, wo er wollte." (S. 160). Eine wirkliche Überraschung war die Unterhaltung mit Annas Mann, dem gehörnten Ehemann, der es verabscheut, was aus seiner Frau und dem Land geworden ist. Ich nehme an, er gehört zu den Organisatoren des Putschs. ("Nur die Kühnen bleiben, um zu kämpfen. Könnte ich doch nur mitmachen. Ich tue, was ich kann." (S. 183). Unglaublich, dass Siv sogar kurz überlegt, ihn bei Anna zu denunzieren, doch dazu kommt es dann nicht mehr. Ein wenig unglaubwürdig fand ich, dass es Siv gelingt, seinen Computer aus der Wohnung zu holen. Er war noch fein gekleidet wegen des Empfangs und wäre sicher aufgefallen. Ich bin sehr gespannt auf das Ende!

 

 

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Cassandra kommentierte am 19. Oktober 2023 um 20:58

. Unglaublich, dass Siv sogar kurz überlegt, ihn bei Anna zu denunzieren.

Das zeigt meiner Meinung seiner Charakter am besten, zumal er da ja keine Angst um sein Leben haben musste.

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westeraccum kommentierte am 14. Oktober 2023 um 11:47

Bulka ist ja eine interessante Nebenfigur, völlig skrupellos, Hauptsache er zieht die Fäden. Erinnert mich an reale Vorbilder... Er braucht solche Leute wie Sivi, die ihm blind folgen, sonst wäre seine Macht schnell dahin.

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Kochmicha kommentierte am 14. Oktober 2023 um 17:44

Sivi sieht nur was er sehen möchte, alles andere ignoriert er und drückt es weg.Das ist alles so kalt

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Dark Rose kommentierte am 15. Oktober 2023 um 16:25

Uff - das war heftig. Und obwohl es auch für ihn teilweise heftig war, schiebt er nach wie vor alles von sich weg. Es gefällt ihm Aufmerksamkeit und Lob zu bekommen, er will "zeigen, was er alles kann" aber er hält nicht inne oder hinterfragt. Langsam würde ich erwarten, dass er vielleicht Sngst vor dem bekommt, wo er da hineingeraten ist, aber er konzentriert sich auf die Arbeit.

Wenn sie etwas von ihm wollen hofieren sie ihn und überschütten ihn mit Aufmerksamkeit, aber eigentlich verachten sie ihn und sehen in ihm eben keinen tollen, fähigen Kerl. Er würde alles für Lob tun und tut es auch.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Marcsbuecherecke kommentierte am 16. Oktober 2023 um 16:15

"Er würde alles für Lob tun und tut es auch."

Diesen Satz finde ich ganz besonders, unterstreicht er in meinen Augen perfekt, wir unseren Helden in diesem Buch kennengelernt haben. Siv ist in meinen Augen ein sehr einsamer Charakter, der sich durch seine Einsamkeit ziemlich in die Ecke gedrängt fühlt. Ein Lob, für das er alles tun würde, ist für ihn weitaus mehr, als nur ein klein wenig Anerkennung.
 

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parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 14:43

Gut geschildert, genauso...

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Cassandra kommentierte am 19. Oktober 2023 um 20:56

Was für ein starker Abschnitt mit einem unerwarteten Schluss.

Fast habe ich es schade gefunden, dass er nicht länger unter dem Bootshaus ausharren musste. Was für ein Früchtchen Lässt nichts an sich heran, außer den Sternenhimmel, obwohl ich die Szene schön fand. Selbst hier wird es ihm noch nicht klar, was er da in Wirklichkeit tut. Zeitweise hat er Angst auch so zu enden, wie die Angeklagten, aber meist ist er massiv stolz auf sich selbst und wie toll er doch ist. 

Andererseits muss mann sich selbst fragen, ob man es anders gemacht hätte unter diesen Umständen. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
parden kommentierte am 24. Oktober 2023 um 15:07

Siv ist ein wenig selbstbewusster Charakter, der seine Bestätigung allein in seiner hohen Fachlichkeit und Intelligenz sucht. Emotionen verunsichern ihn und werden meist rasch beiseite geschoben. Er lechzt nach Lob und Anerkennung und ist bereit, weit dafür zu gehen. Er sieht und erlebt bedrückende, beängstigende, lebensgefährliche Situationen - und gerät trotzdem kaum in Aufregung und ins Nachdenken. Er aktzeptiert die Souveränität der Befehlenden und sieht sich nur als ausführendes Organ, Mitschuld ausgeschlossen.

Ich bin doch neugierig, ob noch etwas geschieht, das ihn zum Umdenken bringt. Ein Kind wird umgebracht: egal. Ein Vater vermisst seinen Sohn und bittet Siv um Hilfe bei der Aufklärung seines Schicksals: egal. Anna wird ermordet: egal, nur weg hier. Für ihn ist alles irgendwie ein Computerspiel. Ohne Verantwortung seinerseits - es gilt nur, die Aufgaben zu meistern. Das erinnert mich schon sehr an die Militär-Piloten, die das Ziel ihrer Bomben nur auf dem Monitor als Kreuz angezeigt bekommen. Kreuz treffen, fertig - die menschlichen Schicksale dahinter erscheinen nicht als Bild, sind also nicht existent. Gruselig. Noch gruseliger ist es aber, dass Siv teilweise durchaus direkt die Folgen seines Tuns präsentiert bekommt. Außer leichtem Schwindel gibt es aber keine erkennbare Reaktion...

 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Buchstabensucht kommentierte am 27. Oktober 2023 um 16:00

Tja, und im ersten Abschnitt schrieben viele noch, sie hätten ein schlechtes Gefühl bei der Reise nach Europa...

Langsam habe ich mich an die Hauptfigur und die Schreibweise gewöhnt. Dieses wohl gewollt naive erinnert mich ein bisschen an den Simplicissimus, wie er so nichtsahnend und unbedarft durch den Krieg marschiert, Sivi ist aber nicht lustig.

Auf jeden Fall kein Charakter, mit dem man sich gerne identifiziert. Bin gespannt, ob die psychosomatischen Beschwerden im letzten Teil noch irgendwie in echte Erkenntnis darüber, was er da eigentlich macht, umgewandelt werden. 

Und den muss ich jetzt mal lesen, morgen ist die Leserunde ja schon wieder zuende. 

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Kakadu kommentierte am 28. Oktober 2023 um 09:54

Siv macht seinen Job, wie viele andere auch. Ja, und es ist legitim zu hinterfragen, wie sich jeder andere verhalten würde. Die Konsequenz dieser Arbeit ist erschreckend.

Thema: Lektüre Teil ll; Seite 98 bis 187
Stardust kommentierte am 28. Oktober 2023 um 20:02

Hier geht es jetzt richtig zur Sache, ich habe mit Siv mitgefühlt, er tat mir sehr leid. Ich denke, er weiß genau, was hier falsch läuft und verbirgt es vor sich selber. Es ist seine Überlebensstrategie, die er früh schon gelernt hat.

Ich habe auch lange wegen dem Land überlegt und denke auch, es ist ehr fiktiv und stellvertretend.

Sivs Beziehung zu Frauen ist total verkorkst, ich denke, vielleicht auch zu Mutter und Schwester, er ist da echt in eine Krise geraten. Sobald jemand nett zu ihm ist, ist er verliebt.