Rezension

Berührt und regt zum Nachdenken an

Findelmädchen -

Findelmädchen
von Lilly Bernstein

Bewertet mit 5 Sternen

Die 15-jährige Helga und ihr Bruder Jürgen leben zehn Jahre nach Kriegsende noch immer bei ihren Zieheltern in Frankreich. Ein Brief vom DRK-Suchdienst stellt ihre Welt auf den Kopf, denn ihr Vater ist endlich unter den Kriegsheimkehrern, hat die Kinder erkannt und bittet darum, dass sie so schnell wie möglich in ihre Heimatstadt Köln zurückkehren. Von der Mutter fehlt noch immer jede Spur. Doch der Vater setzt alles daran, den Lebensunterhalt der Familie mit einem kleinen Büdchen zu gewährleisten. Jürgen arrangiert sich schnell in der neuen alten Heimat, denn er findet eine Stelle bei Ford. Helga möchte unbedingt aufs Gymnasium gehen, doch der Vater ist dagegen. Stattdessen wird Helga auf eine Haushaltungsschule geschickt, die sie auf ein Leben als Ehefrau vorbereiten soll. Als sie ein Praktikum im Waisenhaus absolviert, muss Helga entsetzt beobachten, wie dort mit den Kindern umgegangen wird. Die kleine Bärbel, ein farbiges Besatzerkind, hat es besonders schwer. Helga kann einfach nicht wegsehen und versucht, der kleinen Bärbel zu helfen....

"Findelmädchen" ist der Folgeband zu "Trümmermädchen". Man kann dem aktuellen Geschehen aber auch dann problemlos folgen, wenn man den ersten Band nicht gelesen hat, da die Autorin wichtige Hintergrundinformationen in die Handlung einstreut. 

Lilly Bernstein gelingt es auch in diesem Roman, sofort eine ganz besondere Atmosphäre zwischen den Zeilen schweben zu lassen, die dazu führt, dass man sich ganz auf die Handlung einlassen kann. Im Zentrum der Ereignisse steht Helga. Man beobachtet, wie sie versucht, in ihrem neuen Leben Fuß zu fassen und lernt sie dabei immer besser kennen. Handlungsorte und Protagonisten werden lebendig beschrieben. Man fühlt sich förmlich in die damalige Zeit zurückversetzt. Gemeinsam mit Helga stellt man allerdings schnell fest, dass die damaligen Gedanken und Gepflogenheiten in festgefahrenen Bahnen verlaufen. Helga ist aufgeschlossener und empathischer, deshalb fiebert man mit ihr mit und hofft, dass sie etwas verändern kann. Denn gerade die Szenen im Waisenhaus sorgen für einige Gänsehautmomente. 

Außerdem gibt es, durch Tagebucheinträge von Helgas Mutter, immer wieder Rückblicke in die Zeit nach dem Ende des Kriegs. Hier hofft man, mehr über den Verbleib der Mutter zu erfahren. Denn Helga und Jürgen haben keine Erinnerungen mehr an diese Tage. Man ahnt allerdings früh, dass etwas Bedeutendes geschehen sein muss und wartet deshalb gespannt darauf, dass sich die Tagebucheinträge mit dem aktuellen Geschehen verknüpfen. 

Der Schreibstil ist flüssig und äußerst angenehm zu lesen. Die Handlung ist fesselnd und deshalb mag man das Buch bereits nach kurzer Zeit nicht mehr aus der Hand legen. Man taucht in die Vergangenheit ein und wird vom lebhaft beschriebenen Geschehen förmlich mitgerissen. 

Ein mitreißender Roman, der berührt und zum Nachdenken anregt!