Rezension

Das wirkliche Leben ist brutal

Das wirkliche Leben - Adeline Dieudonné

Das wirkliche Leben
von Adeline Dieudonné

Ein Reihenhaus mit Swimmingpool im Garten; Vater, Mutter, Tochter und Sohn beim gemeinsamen Abendessen. Eine Postkartenidylle? Oh nein - das wirkliche Leben sieht anders aus: Der Vater lebt seine Aggressionen am liebsten auf der Großwildjagd aus, und da das nur selten möglich ist, prügelt er ersatzweise seine Frau blutig. Die ist in den Augen der Tochter zu einer Amöbe geworden: Gesichtslos, gestaltlos, ohne Persönlichkeit. Die zehnjährige Erzählerin liebt das Lachen ihres kleinen Bruders Gilles, und sie umsorgt und behütet ihn nach Kräften. Doch eines Tages geschieht in der Siedlung ein schrecklicher Unfall, der beide Kinder zutiefst verstört. Gilles zieht sich in sich selbst zurück, nähert sich dem Vater an und sucht seinen Weg, um die grausamen Erfahrungen zu verarbeiten. Das Mädchen beobachtet diese Persönlichkeitsveränderung erschreckt - wie nur kann sie das Lachen ihres Bruders zurückholen? Eine Zeitreise in die Vergangenheit wäre eine Lösung, und sie sucht mit Hilfe der Naturwissenschaften einen Weg dafür...

Der Roman beschreibt das Aufwachsen eines Kindes: Das Mädchen, das die Geschichte erzählt und nie beim Namen genannt wird, wandelt sich vom hilflosen Kind zu einer aktiven, zupackenden jungen Frau. In der Nachbarschaft findet sie einige Kontakte, die ihr helfen, nicht in die gleiche Opferrolle wie ihre Mutter zu geraten. Das Finale kommt mit Macht.

Der Roman ist packend, mitreißend und verstörend: Die Brutalität der nach außen hin so heilen Welt bringt den Leser an den Rand des Erträglichen. Manchmal folgen wir der kindlichen Sicht, die dann wieder in poetischen Bildern das Entsetzen verdeutlicht. "Ein Debüt von erzählerischer Wucht, geschrieben in einer funkelnden Sprache." Ein Werbetext, der hält, was er verspricht!