Rezension

Ein Vater (Jäger), der in Menschen nur Opfer oder Jäger sieht ....

Das wirkliche Leben - Adeline Dieudonné

Das wirkliche Leben
von Adeline Dieudonné

Zum Inhalt

Ein bildgewaltiges Familiendrama.

Ein Mädchen ohne Namen hat mir ihre Geschichte erzählt. Eine Geschichte von ihrer Familie, die man als solche eigentlich gar nicht bezeichnen kann. Eine Mutter, die sie mit einer Amöbe vergleicht. Die ängstlich ist und keinerlei Bezug zu ihren Kindern hat. Ihre Ziegen verhätschelt und keinerlei Liebe für ihren Ehemann empfindet. Der Vater liebt das Jagen und Whisky. Zweiteres genießt er vor allem beim Fernsehen. Wenn er länger nicht auf Jagd war, wird das seiner Ehefrau zum Verhängnis.

Das 10 jährige Mädchen liebt ihren kleinen Bruder Gilles abgöttisch. Es ist Sommer. Wenn die Melodie des Blumenwalzers erklingt, kommt der Eiswagen. Die Geschwistern freuen sich jeden Abend darauf. Das Mädchen teilt mit dem alten Eisverkäufer ein Geheimnis. Einen Klecks Sahne auf die Eiswaffel lässt sie sich geben. Das darf der Vater nicht wissen. Als beide Kinder Zeuge eines großen Unglücks werden, erlischt das Lachen des kleinen Bruders.

Meine Meinung

Sehr intensiv erzählt das Mädchen von ihrem dramatischen Familienleben. Die Siedlung, in der sie leben, nennt sich *Demo!* Die Häuser haben eine triste Atmosphäre. Nur das ihrer Familie ist etwas größer und verfügt über einen Keller. Mit ihren gerade mal 10 Jahren versucht das Mädchen Gilles Augen wieder zum Leuchten zu bringen. Beide werden älter. Das Mädchen entwickelt sich zu einem hübschen Teenager. Der Bruder wendet sich von ihr ab. Das Mädchen ist sich sicher, dass irgendwo in dem verstörten Jungen noch ihr heiß geliebter Bruder steckt. Das intelligente Mädchen hat einen Plan.

Die Sprache ist einfach und kommt mit einer solchen Wucht daher, dass ich das Buch in einem Rutsch gelesen habe. Das Mädchen sieht in alten Händen eine Schönheit, die nur ein Mensch wahrnimmt, der mit dem Herzen sieht. Sie kann Angst schmecken. Sie spürt die Gefahr. Ich war mehrmals richtig fassungslos, ob der Brutalität des Jägers. (Die Bezeichnung Vater ist absolut nicht angebracht!) Nach außen hin bekommt man eine normale Familie präsentiert. *Das wirkliche Leben* in der Familie sieht jedoch anders aus. Von Fürsorgepflicht hat der Jäger anscheinend noch nichts gehört. Dennoch beschreibt das Mädchen, in einer fast schon poetischen Sprache, den kleinen enttäuschten Jungen, der in ihrem Vater steckt. Hat für ihr Alter sehr viel Verständnis und Empathie. Aber auch Verständnis hat seine Grenzen. Das Mädchen will kein Opfer werden. Was machen, wenn Mädchen keins werden will und Frau nicht mehr sein? Zu Jägerinnen werden!

Fazit

Ein Vater (Jäger), der in Menschen nur Opfer oder Jäger sieht, hat mich ein paar Stunden das Fürchten gelehrt. Ich war keine Leserin. Ich war dabei. Der unheimlich bildgewaltige Schreibstil hat mich an diesem Drama teilhaben lassen. Ein Drama, welches mit Sicherheit hinter vielen verschlossenen Türen passiert. Ein Jäger der Tiere erlegt und stolz die Trophäen an die Wand hängt. Ein Jäger, der keinen Stolz für eine intelligente Tochter aufbringen kann. Nein. Er will sie zur Beute machen ……..

Ob mir das Ende gefallen hat? Ich habe drei Menschen angefeuert. Hab mir die Haare gerauft und gebrüllt: Habt Mut!

Danke Adeline Dieudonné. Ich war mit dabei, dank ihrem Schreibstil.