Rezension

Der Grazer und der Totengräber

Das Buch des Totengräbers -

Das Buch des Totengräbers
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 5 Sternen

Ein junges Mädchen wird grausam ermordet aufgefunden. Ihre Kehle wurde aufgeschlitzt und zwischen ihren Schenkeln steckte ein hölzerner Pfahl. Der junge Inspektor Leopold von Herzfeldt soll in diesem Fall ermitteln. Doch die eingesessenen Wiener Polizisten misstrauen dem jungen Kollegen aus Graz mit seinen modernen kriminalistischen Methoden und schieben ihn auf einen anderen Fall ab. Dabei lernt Leopold den schrulligen Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs kennen, August Rothmayer. Doch dann schlägt der Täter erneut zu und die beiden geraten mitten hinein in ein Netz aus Verschwörungen und Gewalttaten.

Schauplatz: Wien 1983

Mit flottem und packendem Erzählstil entführt Oliver Pötzsch einen in das Wien des 19. Jahrhunderts. Antisemitismus, Vorurteile und Ablehnung allem Neuen gegenüber prägen die Stadt. Trotzig und stur stellt sich der Wiener jeglichem Fortschritt entgegen. Bloß keine Veränderung. Fotographie und Fahrräder treffen auf die traditionellen Ansichten der Eingeborenen, die lieber alles so lassen würden, wie es immer gewesen ist. Ein Ereignis jagt das nächste, während man dem jungen Inspektor durch die Straßen des historischen Wien folgt.

Besonders gefallen haben mir die Einträge in den Almanach für Totengräber. Wie Augustin einmal gesagt hat, der Tod hat in unserer Gesellschaft keinen Platz. Er wird nach außen gedrängt, negiert und ignoriert. Und doch ist er ein Teil vom Leben. Die interessanten Berichte am Beginn jedes Kapitels machen deutlich, wie viel uns die Toten auch noch nach ihrem Ableben mitteilen können und was in einem Grab so vor sich geht.

Ein ungleiches Paar

Leopold von Herzfeldt ist ein energetischer junger Mann, der mit seiner selbstsicheren und direkten Art bei seinen neuen Kollegen nicht besonders gut ankommt. Als Jude trifft er im antisemitischen Wien auf zusätzliche Schwierigkeiten. Doch er lässt sich nicht unterkriegen und schießt Freundschaften, wo er es am wenigsten erwartet. Ein motivierter junger Mann, der seinen Platz in der Welt sucht und dabei nicht vor Fehlern und Vorurteilen gefeit ist.

Augustin Rothmayer stammt aus einer angesehenen Totengräberfamilie, die bereits zahlreiche Persönlichkeiten zu Grabe getragen haben. Sein schäbiges Aussehen und sein nicht gerade angesehener Beruf täuschen über sein enormes Wissen und seine Scharfsinnigkeit hinweg. August spricht im Dialekt, was ihn sehr authentisch und natürlich macht. Ein gemütlicher Mann, der seinen Platz in der Welt genau kennt. Ruppige Schale mit weichem Kern.

Fazit

Bereits der dunkle Einband mit dem hellen Kreuz in der Mitte und dem großen roten Fleck übt eine gewisse Anziehung aus. Der Krimi ist packend erzählt und bietet viel Möglichkeit zum eigenen mitraten. Oliver Pötzsch platziert seine Hinweise gezielt und rar. Die Lösung plausibel und nachvollziehbar. Der historische Schauplatz wird vor dem inneren Auge lebendig und auch die Wiener Mentalität spiegelt sich in den Buchseiten wider. Wer historische Krimis liebt, sollte das Buch unbedingt lesen.