Rezension

Lebendig, authentisch, spannend

Das Buch des Totengräbers -

Das Buch des Totengräbers
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ein Rundum-Paket für die Fans historischer Krimischmöker, die nach diesem Einstieg vermutlich schon einer Fortsetzung entgegen fiebern.

1993 wird in Wien der junge Inspektor Leopold von Herzfeldt mit äußerst brutalen Morden an jungen Frauen konfrontiert. Überraschende Unterstützung erhält er von dem Totengräber des Wiener Zentralfriedhofs, Augustin Rothmayer.

Oliver Pötzsch, bekannt durch viele mittelalterliche Romane, insbesondere die Henkerstochtersaga, hat sich in eine neue Zeitebene begeben. Dabei beweist er abermals, auf welch geniale Weise er das Ambiente einer Epoche, einer Lokalität und die sie bevölkernden Charaktere herauf zu beschwören und zu transportieren weiß. Wie er hier seine Figuren in Aktion setzt, sie aufeinander prallen, reden und streiten lässt, wie er auch diese Zeit historisch exakt, detailversessen und authentisch darstellt, grenzt an Zauberei. Aufkeimender Feminismus, Antisemitismus, Aberglaube, technischer Fortschritt, die politische, soziale und bauliche Entwicklung einer wachsenden Weltstadt  - das sind einige der Phänomene, die wie beiläufig in die Handlung einfließen und ein rundes Bild erschaffen. 

Während Herzfeldt mit seinen neuartigen analytischen Untersuchungsmethoden und seinem übereifrigen Naturell auf Häme und Widerstand in der eigenen Behörde stößt, überlegt der eigenbrötlerische Rothmayer sehr genau, mit wem er seine Gedanken teilt. Was die beiden Männer eint, ist ihr naturwissenschaftliches Interesse, und so kann der der Totengräber mit dem wachen Verstand und der guten Beobachtungsgabe manchen hilfreichen Tipp geben. Wer allerdings glaubt, hier habe sich ein Ermittlerduo nach dem Vorbild Holmes und Watson gesucht und gefunden, wird enttäuscht. Welten liegen zwischen den beiden, so leicht ist die Kluft nicht überbrückbar. Mehr als gegenseitiges Wohlwollen ist in diesem ersten Band nicht zu erreichen, da braucht es, wenn überhaupt, wohl noch das ein oder andere Abenteuer.

Bis der Kriminalfall gelöst ist, darf fleißig mitgerätselt werden. Ganz routiniert wird die Spannung gehalten, dabei Platz gelassen für etwas Romantik und eine Prise Humor. Stoff, den man sich beinahe zwangsläufig verfilmt wünschet. Und ein Rundum-Paket für die Fans historischer Krimischmöker, die nach diesem Einstieg vermutlich schon einer Fortsetzung entgegen fiebern.