Rezension

Die Geschichte der verlorenen Jungs

Wendy & Peter. Verloren im Nimmerwald -

Wendy & Peter. Verloren im Nimmerwald
von Aiden Thomas

'Wendy & Peter' ist für mich das wohl überraschendste Jugendbuch des Jahres 2022. Aiden Thomas' Interpretation des Klassikers 'Peter Pan' war komplett anders als ich es ursprünglich erwartet hatte. Im Grunde genommen hat Aiden Thomas Peter Pans Geschichte weiter erzählt. Wendy ist mittlerweile erwachsen und kämpft mit den Schatten aus ihrer Vergangenheit. Fünf Jahre ist es her, dass ihre kleinen Brüder Michael und John spurlos verschwunden sind. Nur Wendy konnte damals gefunden werden, doch ihr fehlen die Erinnerungen daran was passiert ist. Was geblieben ist, ist die Trauer über den schmerzlichen Verlust ihrer Brüder, der Verlust ihrer Kindheit, die mit diesem Tag endete und eine unerklärliche Angst vor dem Wald. Und dann verschwinden wieder Kinder aus dem Ort und der Entführungsfall der Geschwister Darling rückt abermals in den Fokus der polizeilichen Ermittlungen.

Aiden Thomas' Version von Peter Pan ist sehr düster, emotional und aufwühlend. Wir begleiten die mittlerweile 18-jährige Wendy, welche ehrenamtlich im Krankenhaus arbeitet und Medizin studieren möchte. Wendy kümmert sich liebevoll um die kleinen Patient*innen auf der Kinderstation und erzählt ihnen mutmachende Geschichten - auch von Peter Pan. Doch Wendy kämpft auch mit ihren inneren Dämonen. Sie gibt sich selbst die Schuld am Verschwinden ihrer Brüder und sie möchte die beiden unbedingt finden. Doch jedes Mal, wenn sie kurz davor steht durch den dichten Nebel in ihrem Kopf zu dringen, entgleiten ihr ihre Erinnerungen wieder. Bis eines Nachts ein mysteriöser Junge namens Peter vor ihr Auto läuft und behauptet zu wissen wo sich ihre Brüder befinden

Vorallem das erste und das letzte Drittel konnten mich richtig fesseln und ich habe mit Spannung die Ereignisse verfolgt und gerätselt, ob Peter Pan wirklich oder nur in Wendys Kopf existiert. Wer ist der Junge, der behauptet seinen Schatten verloren zu haben und was hat er mit den verlorenen Kindern zu tun? Und was weiß er von den Ereignissen von vor 5 Jahren? All diese Fragen haben nach einer Antwort geschrien und dazu beigetragen, dass ich das Buch kaum mehr aus der Hand legen konnte. Im Mittelteil gab es zwar kleinere Längen bzw. Szenen, die sich meines Erachtens nicht so ganz ins Bild fügen wollten, das Ende war dafür umso mitreißender.

Und auch Wendys Charakter fand ich unglaublich authentisch und greifbar dargestellt. Ihre Gedanken und Gefühle und Zweifel waren nachvollziehbar, genauso wie ihre Entwicklung.

Nach 'Cemetery Boys' konnte mich Aiden Thomas auch mit 'Wendy & Peter' abholen und ich freue mich jetzt schon auf sein nächstes Buch.

Fazit:

Aiden Thomas' Interpretation des Märchenklassikers Peter Pan war für mich eine große Überraschung. Ein gelungener Mix von Phantastik und Realismus. Der Autor schreibt über Verlust, Trauer und Depression. 'Wendy & Peter' liest sich wie eine Fortsetzung von 'Peter Pan', nur düsterer, mysteriöser und erwachsener. Von mir gibt's eine ganz große Leseempfehlung!