Rezension

Eine besondere Gemeinschaft und die Macht der Bücher - solide, leichte Unterhaltung mit kleinen Schwächen im Spannungsbogen

Die Bibliothek der Hoffnung -

Die Bibliothek der Hoffnung
von Kate Thompson

Bewertet mit 3.5 Sternen

„Ausleihen, stempeln, lesen, zurückgeben. Zack! Schon sind sie um die Welt gereist, ohne dabei Bethnal Green zu verlassen.“

Während 1944 der Zweite Weltkrieg tobt, findet das Leben im Osten Londons teilweise unter der Erde statt. In der stillgelegten U-Bahn-Station Bethnal Green wohnen und schlafen Menschen, es gibt dort ein Café, ein Theater und sogar eine Bibliothek.  
Die Freundinnen Clara und Ruby arbeiten in dieser Bücherei, versorgen die Menschen mit Büchern, halten Vorlesestunden für Kinder ab und haben immer ein offenes Ohr für die Besucher.  Es hat sich eine richtige kleine dorfähnliche Gemeinschaft entwickelt. Nicht alle sehen Claras und Rubys Einfluss allerdings positiv. Auch die anhaltenden Bombenangriffe stellen eine große Gefahr dar. Werden die Frauen in diesen schwierigen Zeiten durchhalten?

 

Kate Thompson erzählt abwechselnd aus Claras und Rubys Sicht in der  dritten Person Vergangenheit. Die Geschichte liest sich einfach und flüssig. Dass jedem Kapitel ein Zitat von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren oder anderen „Büchermenschen“ vorangestellt ist, gefällt mir. Dabei geht es um die Arbeit mit und die Macht von Büchern. Vier der Sätze wie „Menschen kommen in die Bücherei, um die Welt zu verstehen“ finden sich auch auf der Umschlaginnenseite. Eine schöne Idee, die die Bedeutung von Büchern unterstreicht. Das Cover mit  dem Bild einer jungen attraktiven Frau umgeben von Büchern sticht allerdings genausowenig unter Romanen des gleichen Genres hervor wie der etwas einfallslose Titel des Buchs „Die Bibliothek der Hoffnung“.

 

Clara Button ist eine junge Witwe mit einer besonderen Verbindung zu Büchern. Sie findet für jeden Mensch das passende Buch, bringt auch Kindern, die sich nicht für Bücher interessieren zum Lesen. Clara hat in den letzten Jahre einiges durchgemacht hat. Ihre Mutter und ihre Schwiegermutter lehnen Claras Engagement ab, verstehen und unterstützen sie nicht.  
Ruby Munroe kennt sich mit Büchern nicht ganz so gut aus wie ihre Freundin Clara. Sie zeigt sich anderen gegenüber etwas aufgeschlossener und offener als Clara und genießt das Leben, wenn sich dazu Gelegenheiten gibt. So gönnt sich schon mal ein Gläschen oder eine Zigarette. Doch auch Ruby hat eine schlimme Erinnerung, die sie oft quält. Außerdem sorgt sie sich sehr um ihre Mutter, die von ihrem Mann tyrannisiert wird.
Als Clara den sympathischen Sanitäter Billy kennenlernt, scheint es zwischen den beiden zu funken, doch er verhält sich zunächst distanziert.  
Insgesamt wirken die Figuren auf mich etwas zu blass und schablonenhaft. Gerade die Männer werden nicht sehr ausführlich und tiefergehend charakterisiert. Und auch die Frauen haben wenig Ecken und Kanten, was daran liegen mag, dass doch recht viele Personen im Buch vorkommen.

 

Das Buch beruht auf wahren Begebenheiten. Eine unglaubliche Vorstellung, dass während des zweiten Weltkriegs in London unter der Erde wirklich eine Parallelwelt entstanden ist, eine kleine Stadt unter der Stadt. Der Schauplatz und die Hintergründe der Handlung sind definitiv ungewöhnlich und faszinierend.  
Im Roman wird zudem schön dargestellt, was Bücher leisten. Sie liefern gerade in schweren Zeiten Trost, so auch -wie im Prolog thematisiert- während der Covid-Pandemie. Durch Bücher konnten die Menschen während des Kriegs im Kopf den Schrecken des Kriegs entfliehen, in Welten vordringen, von denen sie nicht zu träumen wagten. Bücher machen Veränderungen möglich, geben den Menschen Hoffnung und verbinden. Der Buchclub, den Clara und Ruby gründen, das Gespräch über Bücher bringt die Mitglieder noch näher zusammen.  
Diese Botschaft des Romans hat mich überzeugt, die Umsetzung hat für mich allerdings Schwächen. Die Handlung des Romans plätschert teilweise etwas vor sich hin, der Spannungsbogen verläuft mir nicht stringent genug. So wird mir das  Finale zu sehr in die Länge gezogen, verliert sich in Einzelheiten. Ein wenig vermisste ich bei einigen Handlungssträngen den rote Faden. Auch blieben beim Lesen bei mir die erwarteten Emotionen leider größtenteils aus.  
Dennoch habe ich „Die Bibliothek der Hoffnung“ gern gelesen. Nicht der perfekte, rundum gelungene Schmöker mit den ganz großen Gefühlen, aber ein unterhaltsamer Roman über eine ganz besondere Gemeinschaft in Kriegszeiten und die Bedeutung von Büchern.