Rezension

Gable kann auch deutsche Geschichte!

Das Haupt der Welt - Rebecca Gablé

Das Haupt der Welt
von Rebecca Gablé

Bewertet mit 5 Sternen

Beim Sturm des deutschen Königs Heinrich I auf die Burg des Slawenfürsten Vaclavic wird dessen Sohn Tugomir zusammen mit seiner Schwester Dragomira von Heinrich als Geiseln genommen. Vor allem Tugomir hat es nicht einfach am sächsischen Hof, zu viel Leid gab es auf beiden Seiten, zu lange schwelt der Konflikt schon. Doch es zeigt sich, dass Tugomir ein begnadeter Heiler ist und als er Otto, Heinrichs Sohn das Leben rettet, wird er dessen Leibarzt. Als Otto die Nachfolge seines Vaters antritt und mit zahlreichen Widersachern zu kämpfen hat, ist er auch auf Tugomirs Hilfe angewiesen und bietet diesem eine außergewöhnliche Chance …

Rebecca Gable hat die englische Geschichte verlassen und sich der deutschen zugewandt – und dieses Wagnis ist ihr wunderbar gelungen. Wie von ihr gewohnt, bietet sie auch hier bestes Lesevergnügen, besticht mit gut ausgearbeiteten Charakteren, einem bildgewaltigen Erzählstil und einer spannenden Geschichte. Im Nachwort erzählt sie, wo die Fakten enden und die Fiktion beginnt – und lässt einen auch hier staunen. Für mich war dies bislang eine Epoche, von der ich wenig wusste und die mich ehrlich gesagt auch nicht besonders interessierte. Durch diesen Roman habe ich nun auf sehr unterhaltsame Weise Neues und zum Teil für mich auch Erstaunliches (von den einzelnen slawischen Völkern hatte ich noch nie gehört – kennt jemand z. B. die Daleminzer und die Heveller?). Nun hoffe ich, dass die Autorin noch ein wenig mehr von dort, auch die weitere Geschichte erzählt und damit für den Leser begreifbarer macht.

Rebecca Gable berichtet nicht nur von den politischen Verhältnissen der damaligen Zeit sondern lässt uns auch teilhaben am Leben der Leute, seien es Könige, seien es deren Familie, seien es Sklaven oder das „einfache Volk“. Wie gewohnt treffen historische Persönlichkeiten auf fiktive Charaktere, wobei dieses Mal erstaunlich viele historisch belegte Personen vorkommen, die allerdings zum Teil viel Platz für Fiktion lassen, da von ihrem Leben nur wenig bekannt ist. Die Teile, die die Autorin mit Fiktion füllen musste, passen sich gut ein und wirken authentisch. Mir macht das Ganze zudem Lust darauf, selbst ein bisschen zu recherchieren.

Der Roman liest sich flüssig und ist an keiner Stelle langweilig. Am Anfang machen einem die sehr ungewohnten slawischen Namen etwas zu schaffen, aber zum Nachschlagen gibt es ein Personenregister und schneller als gedacht hat man sich an die Namen gewöhnt. Etwas ungewohnt ist vielleicht auch für manche Fans historischer Romane, dass sich ein Hauch Mystik im Roman verbirgt, Tugomir hat eine sogenannte Vila, ein Geistwesen, das ihm u. a. Visionen bringt. Dies ist aber einzuordnen in Tugomirs Religiosität, denn er ist zugleich Priester einer slawischen Gottheit. Daneben wird auch das Christentum thematisiert, denn wir haben es hier auch mit der Epoche der Christianisierung dieser Gegend zu tun – und auch hier erfahren wir einen Hauch Mystik, wenn z. B. die Heilige Lanze Wunder wirken soll. Für mich passte beides sehr gut in den Kontext des Romans.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt, u. a. aus Tugomirs, Dragomiras oder der der Brüder Ottos, Thankmar und Henning. Das gibt dem Roman Dynamik und zusätzliche Spannung und beleuchtet auch verschiedene Gegebenheiten unter verschiedenen Aspekten.

Was mir gefehlt hat, war eine Karte, allerdings lag mir ein Leseexemplar vor, so dass möglicherweise in der Buchhandelsausgabe eine solche zu finden ist. Für historische Romane halte ich Karten eigentlich für unentbehrlich, da sie auch die politischen Gegebenheiten einer Epoche aufzeigen (Grenzen, Herrschaftsgebiete).

Wer gut recherchierte historische Romane sucht, ist bei Rebecca Gable immer richtig, wer auch ihre anderen Romane mochte, wird hier sowieso zugreifen. Ich empfehle das Buch uneingeschränkt.