Rezension

Keine leichte Sommerlektüre

Der Papierpalast
von Miranda Cowley Heller

Bewertet mit 4 Sternen

Seit 50 Jahren verbringt Elle Bishop jeden einzelnen Sommer im Papierpalast, dem Sommerquartier ihrer Familie am Cape Cod. Schon im Kindesalter hat sie hier eine lebenslange Freundschaft mit Jonas geschlossen, hat schöne Momente erlebt, aber auch schmerzliche Erfahrungen gemacht. Nun verbringt sie die Sommer mir ihrem Mann Peter, den drei Kindern und ihrer Mutter im Ferienhaus am See. In diesem Sommer betrügt sie ihren Mann mit Jonas.  Die eigentliche Handlung des Romans umfasst gerade mal 24 Stunden in der Gegenwart, in der Elle eine Entscheidung für ihre Zukunft treffen wird. Durch Rückblicke erfahren wir als Leser eine Familiengeschichte voller dunkler Geheimnisse.

Die Schilderungen des Papierpalastes, das Setting am See, die Beschreibung der Natur sind einfach wunderschön und man möchte am liebsten auch einen Sommer dort verbringen. Fernab des Alltags, gemeinsam mit den Liebsten sorglos sein und sich treiben lassen. Doch der Schein trügt, dieses Buch ist keine leichte Sommerlektüre. 

Zu Begin ist es eine große Herausforderung sich in den Zeitebenen zu orientieren und mit der Vielzahl an Charakteren vertraut zu machen. Kapitel um Kapitel lernt man Elles Großmutter und ihre Mutter kennen. Das oftmals sehr harte Leben der Frauen wird beleuchtet, welches von Verlusten, Scheidungen und wechselnden Männerbekanntschaften bestimmt ist. Auch Elles Kindheit und Jugend wird detailliert geschildert. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass die Kinder unwichtig waren, über ihre Bedürfnisse wurde so oft einfach hinweggegangen. Es war schmerzlich zu lesen, wie oft Elle und Anna wegen des Egoissmus ihrer Eltern ins Abseits gedrängt wurden. Dazu sind unter anderem Themen wie sexueller Missbrauch und Vergewaltigung, die hier ungeschönt und explizit geschildert werden, und durch diese direkte Art emotional aufwühlen und erdrücken.

Das Ende spaltet vermutlich die Leserschaft. Für einen Film bietet es vermutlich die perfekte Schlussszene. Für das Buch hätte ich persönlich mir etwas anderes gewünscht.

Der Papierpalast schildert eine bewegende und fesselnde Familiengeschichte, an deren Ende Elle vor einer richtungsweisenden Entscheidung in ihrem Leben steht. Besonders hervorzuheben sind die fantastischen Beschreibungen der Natur und die beeindruckende Charakterstudie der Protagonistin, deren Zerissenheit und Zwiespalt bezüglich der zu treffenden Entscheidung nachvollziehbar und glaubhaft geschrieben sind.