Rezension

Unnötig detailliert, oberflächlich und langweilig

Der Papierpalast
von Miranda Cowley Heller

Bewertet mit 2 Sternen

Elle... 50 Jahre alt, glücklich verheiratet, dreifache Mutter. Jedes Jahr verbringt sie ihren Urlaub mit der gesamten Familie in dem Sommerhaus von ihrer Mutter. Der Papierpalast, heißt das Feriendomizil, in dem sie als Kind und Jugendliche all die Sommerferien verbracht und ihren besten Freund Jonas kennen und lieben gelernt hat. Sie und Jonas verbindet nicht nur die rosa-roten Kindheitserinnerungen. Ein Geheimnis teilen die beiden, welches sie auch auseinander gerissen hat. Nun nach jahrelanger Funkstille trifft Elle Jonas wieder und nach einem Tag stellt sie nicht nur ihre Gefühle, sondern auch ihr Leben infrage. Soll sie den Rest ihres Lebens mit ihrem Mann und ihre Kinder oder doch mit ihrem besten Freund, in dem sie lebenslang verliebt ist, verbringen?

TW: Kindesmissbrauch, Sexualgewalt

„Ein starkes Debüt“ kündigt The Times. „Ergreifender Roman“ schreibt Daily Mirror. Als „Lesehighlight“ beurteilen die Rezenten und Dank viele positiven Lesestimmen ist dieses Buch seit zehn Wochen auf die Bestsellerliste des Spiegels. Ich dagegen hab fast einen Monat gebraucht um es zu Ende zu lesen und lande ich hinterher in einer tiefen Leseflaute.

Klar, die Geschmäcker sind verschieden und es ist auch gut so, sonst wäre ja die Welt langweilig, aber ehrlich gesagt was andere Leser*innen hier empfunden haben, ist mir ein Rätsel. Was ich beim Lesen gespürt hab, ist: neben Langeweile auch tiefe Wut.
Langeweile weil: die Autorin erzählt eine Geschichte wie ein Erklärungsfilm. Ich habe über 400 Seiten lang ihre Protagonistin überall und bei jeder Kleinigkeiten begleitet. Wenn ich jetzt ein Röntgenbild von Elle zusehen bekommen würde, würde ich sie sofort erkennen, so kleinkariert ist der Schreibstil. Für einige heißt es bildgewaltig, für mich ist es ein unnötig detaillierter Erzählstil. Wut weil: angefangen von Elles Großmutter, gefolgt von ihrer Mutter und von ihr, Frauen, Müttern, die selbstsüchtig sind und obwohl die als Kinder selber unter Verachtung gelitten haben, aber den gleichen Fehlern, bewusst oder nicht, bei deren Kinder weitermachen, verursachen bei mir extreme Gänsehaut! Wie kann eine Mutter selbst unter Kindesmissbrauch gelitten hat, nichts merkt, dass ihr Kind missbraucht wird??? Ich, als Frau, Mutter, Tante und Tochter konnte und wollte diese Thematik nicht akzeptieren, geschweige denn mit Elle und all die anderen oberflächlichen Charaktere mitfühlen.

Grunde genommen, es geht eigentlich um ein einziges Tag, indem Elle eine Entscheidung treffen muss. Ein Tag, was wie ein Jahrhundert wirkt, denn hoppelt man hier wie ein Hase zwischen die Zeiten. Mal habe ich über Elles Kindheit und Jugend erfahren, mal über ihre Oma, ihr Mutter und ihren Vater gelesen. Kaum konnte ich in die Geschehenen eintauchen, zack war ich wieder in der Gegenwart oder in der Vergangenheit. Vielleicht wollte die Autorin so die Spannung aufrecht halten, auf jedenfalls waren die Zeitsprünge für mich sehr ermüdend, sodass ich oft das Interesse an dieses Buch verloren und nach paar gelesen Seiten wieder weggepackt hab. Dazu kommt eine Sprache mit vielen derben Ausdrücken, welche, meiner Meinung nach, in einem Erotik-Roman perfekt passend waren, aber hier nichts zu suchend sind.

„Der Papierpalast“ hat schon viele Liebhaber*innen gewonnen, indem ich nicht mitzähle. Deswegen kann ich dieses Buch nicht weiterempfehlen. Was ich hier geschrieben habe, ist meine ehrliche Meinung und mein Empfinden beim Lesen, daher bitte nicht persönlich nehmen!